14.11.2022 12:22 Alter: 1 year
Kategorie: Außenwirtschaft
Von: Rechtsanwältin Julia Gnielinski

Achtes EU-Sanktionspaket gegen Russland

Seit Ende Februar werden gegen Russland weitgehende Sanktionen wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine verhängt.

Diese umfassten bislang unter anderem Ein- und Ausfuhrverbote für bestimmte Güter (Infoletter März 2022 S. 4; April 2022 S. 3), sowie Transaktionsverbote (Infoletter April 2022 S. 4) und das Verbot der Erbringung von Unternehmens- und Steuerberatungsdienstleistungen.

Am 06. Oktober 2022 wurde von dem EU-Ministerrat ein weiterer Beschluss zur Ergänzung der Sanktionsverordnung gefasst, die am 07.Oktober 2022 in Kraft trat.

Das achte EU-Sanktionspaket erweitert den Geltungsbereich der Sanktionen auf alle nicht von der ukrainischen Regierung kontrollieren Gebiete in den Oblasten Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja. Die Sanktionsliste für Einzelpersonen wurde um Personen erweitert, die an der Besetzung, der rechtswidrigen Annexion und an den Schein-„Referenden“ in den Gebieten Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja beteiligt sind. Die Maßnahmen richten sich gegen wichtige Entscheidungsträger, Oligarchen, hochrangige Militärbeamte und Propagandisten. Neue Ausfuhrbeschränkungen erschweren den Zugang Russlands zu militärischen, industriellen und technologischen Gütern und die Entwicklung des Verteidigungs- und Sicherheitssektors, Art. 2aa der EU- Richtlinie 2022/1904. Dazu gehört das Ausfuhrverbot von Kohle (einschließlich Kokskohle, die in russischen Industrieanlagen verwendet wird), spezifischer in russischen Waffen verbauter elektronischer Komponenten, technischer Güter, die im Luftfahrtsektor verwendet werden, sowie bestimmter Chemikalien. Dem wurde ein Verbot der Ausfuhr von Kleinwaffen und anderen unter die Anti-Folter-Verordnung fallende Güter hinzugefügt. Die zusätzlichen Einfuhrbeschränkungen in Höhe von fast 7 Milliarden Euro umfassen unter anderem Fertig- und Halbfertigerzeugnisse aus Stahl (für einige Halbfertigprodukte gilt eine Übergangszeitraum), Maschinen und Geräte, Kunststoffe, Fahrzeuge, Textilien, Schuhe, Leder, Keramik, bestimmte chemische Erzeugnisse und nicht aus Gold gefertigter Schmuck nach Art. 3g, 3i, 3j der EU- Richtlinie 2022/1904.

Ein weiteres neues Sanktionsinstrument ist die Einführung einer Preisobergrenze für russisches Öl, das auf dem Seeweg in Drittländer befördert wird. Ab Dezember 2022 wird es verboten sein, Seeverkehrsdienstleistungen sowie technische Hilfe, Vermittlungsdienste, Finanzmittel oder Finanzhilfen zur Beförderung von Rohöl in Drittländer zu erbringen. Ab Februar 2023 soll dieses Verbot auch für die Beförderung von Erdölerzeugnissen gelten.

Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass das Rohöl bzw. die Erdölerzeugnisse zu einem Preis erworben werden, der einer festgelegten Preisobergrenze entspricht oder darunter liegt. Dadurch sollen die russischen Einnahmen weiter gesenkt werden, während gleichzeitig die Energiekosten und der globale Energiemarkt stabil gehalten werden.

Ebenfalls neu ist ein Kriterium für die Aufnahme in die Sanktionsliste der EU, das es ihr ermöglicht, Sanktionen gegen Personen zu verhängen, die Verstöße gegen das Verbot der Umgehung von Sanktionen erleichtern.

Das Paket sieht zusätzliche Beschränkungen für staatseigene russische Unternehmen vor: zum Beispiel verbietet es EU-Bürgern, Ämter in Leitungsgremien bestimmter Unternehmen auszuüben nach Art. 5aa EU- Richtlinie 2022/1904. Es werden zudem jegliche Transaktionen mit dem Russischen Schiffsregister verboten, indem es in die Liste der staatseigenen Unternehmen aufgenommen wird, die unter der Transaktionsverbot fallen.

Im Bereich Finanz-, IT-Beratungs- und sonstigen unternehmensbezogenen Dienstleistungen werden u.a. die bestehenden Verbote von Kryptowerten verschärft und der Umfang der Dienstleistungen, die nicht mehr für in Russland niedergelassene juristische Personen erbracht werden können, ausgeweitet nach Art. 5b EU- Richtlinie 2022/1904.

Das achte EU-Sanktionspaket enthält jetzt auch ein Verbot der Rechtsberatung. Es verbietet direkte und mittelbare Rechtsberatungsdienstleistungen in nichtstreitigen Angelegenheiten für die Regierung Russlands, in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen, wie es in Art. 5n Abs. 2 der Sanktionsverordnung 2022/1904 heißt. Eine Ausnahme gilt nur für solche russische Unternehmen, die von der EU, der Schweiz, Norwegen, Großbritannien, Japan, Südkorea oder den USA kontrolliert werden, Art. 5n Abs. 7 VO 2022/1904. Die ausdrückliche Erstreckung auch auf die mittelbare Beratung verbietet eine „Um-die-Ecke-Beratung“, also die Beratung anderer Anwälte, die für russische Unternehmen tätig werden.

Bestehende Mandate, die vor dem 07. Oktober 2022 übernommen wurden, dürfen bis zum 08. Januar 2023 abgewickelt werden, Art. 5n Abs. 4 VO 2022/1904.

Das Verbot richtet sich gegen die Tätigkeit von Anwälten und Notaren mit Sitz in EU-Staaten. Es bezieht jedoch auch Anwälte mit einer EU-Staatsbürgerschaft ein, die in Russland aktiv sind.

Erwägungsgrund 19 der VO 2022/1904 relativiert das Verbot der Rechtsberatung.
Als verbotene Rechtsberatungsdienstleistung wird danach beispielsweise die Rechtsberatung für Mandanten in nichtstreitigen Angelegenheiten, wie die Teilnahme an Handelsgeschäften und Verhandlungen mit Dritten angesehen.

Von dem Verbot nicht umfasst sind die Rechtsvertretungsdienstleistungen in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sowie die Beratung von russischen Privatpersonen und wirtschaftlich tätigen Einzelpersonen, soweit sie nicht selbst als Person gelistet sind. Auch eine vorgerichtliche Rechtsberatung in Bezug auf die Frage, ob man überhaupt Klagen sollte, also in streitigen Ansprüchen, bleibt weiterhin zulässig.
Beratungstätigkeiten bezüglich der EU-Energieversorgung und für den Einkauf bestimmter Rohstoffe können von national zuständigen Behörden, in Deutschland von dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), genehmigt werden.

Beratungen zur gezielten Umgehung von Sanktionen sind, wie immer bei Sanktionen, verboten, gem. Art. 5n Abs. 6 der VO 2022/1904. Eine Vertretung russischer Einrichtungen durch EU-Anwälte bleibt jedoch zulässig, wenn sie gegen die Aufnahme in die Sanktionsliste oder gegen einzelne Sanktionen klagen.

Vereinbarungen, die gegen die EU-Sanktionsverordnung verstoßen, sind gem. § 134 BGB nichtig. Zudem drohen bei einem Verstoß strafrechtliche Konsequenzen bis hin zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren gem. § 18 Abs. 1 Außenwirtschaftsgesetz.

Kritik an dieser neuen Regelung wird von der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und dem Deutschen Anwaltsverein (DAV) gehegt. Die BRAK sieht in dem Beratungsverbot einen Verstoß gegen die rechtsstaatlichen Grundsätze, weshalb es aus verfassungsrechtlichen Gründen in Deutschland nicht angewendet werden dürfe. Zudem kritisiert der DAV, dass die Entscheidung allein dem Anwalt obliege, ein Mandat anzunehmen oder abzulehnen. Der Zugang zum Recht müsse weiterhin für jedermann gewährleistet sein.

Auch das Bundesjustizministerium betont die enorme Bedeutung der anwaltlichen Tätigkeit und versichert, sich bei Verhandlungen vergeblich für die Nicht-Aufnahme des Rechtsberatungsverbots in das Sanktionspaket eingesetzt zu haben.

Mit Blick auf die gewährleistete Rechtsvertretung im gerichtlichen Verfahren, die Erlaubnis der Vertretung von Privatpersonen und den zahlreichen begründeten Ausnahmen, erscheint die harsche Kritik am 8. EU-Sanktionspaket etwas übermotiviert.
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