17.04.2014 13:40 Alter: 10 yrs
Kategorie: Außenwirtschaft
Von: Rechtsanwältin Almuth Barkam

Schadensersatzpflicht bei mangelhaft errichtetem Compliance-System und unzureichender Überwachung

Mit Urteil vom 10.12.2013, 5 HKO 1387/10, hat das Landgericht München I ein ehemaliges Vorstandsmitglied eines weltweit tätigen börsennotierten Unternehmens dazu verurteilt, an das klagende Unternehmen 15 Mio. Euro Schadensersatz zu leisten. Das Gericht sah eine den Schadensersatz begründende Pflichtverletzung darin begründet, dass der Beklagte es unterlassen hat, ein effizientes Compliance-Systems im Unternehmen zu errichten und dessen Wirksamkeit zu überwachen. Als Mitglied des Zentral- wie des Gesamtvorstands habe der Beklagte die Aufgabe gehabt, ein funktionierendes System zur Vermeidung von Gesetzesverstößen einzurichten.

In dem zugrundeliegenden Fall handelte es sich um ein international tätiges Unternehmen mit rund 400.000 Mitarbeitern, dessen Aktien unter anderem an der Frankfurter Wertpapierbörse und an der New York Stock Exchange notiert sind. Der Beklagte war seit 1998 ordentliches Vorstandsmitglied der Klägerin sowie Mitglied des Zentralvorstands. Der Gesamtvorstand der Klägerin nahm nach seiner Geschäftsordnung die nach dem Aktiengesetz festgelegten Rechte und Pflichten des Vorstands wahr und hatte danach auch die Aufgabe, für ein angemessenes Risikomanagement und –controlling Sorge zu tragen. Bei der Klägerin hatte sich ein System „schwarzer Kassen“ entwickelt und es wurden unzulässige Zahlungen von Schmiergeldern im Ausland geleistet.

 Das Gericht sah die Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG in dem zugrundeliegenden Fall als erfüllt an. Danach sind Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Ein Vorstandsmitglied müsse im Außenverhältnis sämtliche Vorschriften einhalten, die das Unternehmen als Rechtssubjekt treffen. Dies gelte auch hinsichtlich ausländischer Rechtsvorschriften. Nach Ansicht des Gerichts stellten grenzüberschreitende Schmiergeldzahlungen eine solche Gesetzesverletzung dar, denn sie ließen sich auch nicht aus der Erwägung heraus rechtfertigen, dass anderenfalls wirtschaftliche Erfolge auf Auslandsmärkten nicht mehr möglich seien.

 Das Landgericht München macht in seiner Entscheidung deutlich, dass ein Vorstandsmitglied im Rahmen dieser Legalitätspflicht dafür Sorge tragen muss, dass das Unternehmen so organisiert und beaufsichtigt wird, dass keine derartigen Gesetzesverletzungen eintreten. Die Überwachungspflicht werde namentlich durch § 91 Abs. 2 AktG dadurch konkretisiert, dass ein Überwachungssystem installiert werde, das geeignet sei, bestandsgefährdende Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, wovon auch Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften umfasst seien. Einer derartigen Organisationspflicht genüge der Vorstand bei entsprechender Gefährdungslage nur dann, wenn er eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation einrichte.

 Entscheidend für den Umfang eines solchen Systems sind Art, Größe und Organisation des Unternehmens, die zu beachtenden Vorschriften, die geografische Präsenz sowie Verdachtsfälle aus der Vergangenheit. In dem Entscheidungsfall bestand eine besondere Gefährdungslage, weil das klagende Unternehmen in korruptionsanfälligen Ländern geschäftlich aktiv war und der Beklagte im Laufe der Zeit Kenntnis von Korruptionsfällen erhielt. Diese Umstände sowie auch die durchgeführte Notierung an der New Yorker Börse machten ein ausgefeiltes Compliance-System mit einer klaren organisatorischen Zuordnung der Compliance-Verantwortung erforderlich.

 Das Landgericht München hat in dieser Entscheidung sehr dezidiert dargestellt, welche Anforderungen an ein funktionsfähiges Compliance-System zu stellen sind. Es machte deutlich, dass u.a. Berichtslinien zu schaffen sind, aus denen sich die jeweiligen Kompetenzen ableiten lassen und dass die mit der Überwachung der Compliance-Vorgaben beauftragten Personen hinreichende Befugnisse haben, um Konsequenzen aus Verstößen ziehen zu können. Reicht ein vorhandenes System nicht aus, ist es Aufgabe jedes einzelnen Vorstandsmitglieds, im Rahmen seiner Überwachungspflicht darauf hinzuwirken, dass innerhalb des Vorstands ein funktionierendes Compliance-System beschlossen wird.

 Die Entscheidung des Landgerichts München macht deutlich, dass jedes Unternehmen dafür sorgen muss, eine an seine Größe und Gefährdungslage angepasste Compliance-Struktur zu schaffen.

 

 Wir beraten Unternehmen bei der Prüfung und Anpassung ihrer internen Organisationsstrukturen, um Gesetzesverstöße, u.a. auch im Bereich des Außenwirtschaftsrechts, zu verhindern.

 

 Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, können Sie sich gerne an uns wenden.

 

 

 

 Vertiefend: LG München I, Urteil vom 10.12.2013 – 5 HKO 1387/10