01.07.2022 11:34 Alter: 2 yrs
Kategorie: Außenwirtschaft
Von: Rechtsanwalt Dr. Ulrich Möllenhoff

Weitere Sanktionen gegen Russland und Weißrussland beschlossen - eine kritische Sicht

Seit Ende Februar erleben wir einen schrecklichen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der auch von dieser Stelle nicht deutlich genug verurteilt werden kann.

Die westliche Staatengemeinschaft reagiert mit zahlreichen Embargomaßnahmen, die die deutsche Wirtschaft hart treffen aber trotzdem - so unser Eindruck - mit großem Verständnis und Sorgfalt umgesetzt werden.

… zumindest so gut es geht. Die Normenflut und Taktung der Neuerungen sind immens. Wir beobachten seit Ende Februar viele Erweiterungen, Veränderungen und Anpassungen der einschlägigen Embargoverordnungen gegen Russland sowie Weißrussland (Wirtschaftssanktionen) sowie gegen spezielle Personen, Organisationen und Einrichtungen, in Form der Personenlistungen. Ein sehr guter Überblick über alle Maßnahmen ist sowohl bei den deutschen Behörden (BAFA und Bundeswirtschaftsministerium und Zoll) als auch bei der österreichischen Wirtschaftskammer (WKO) und anderen Kammern und Industrieverbänden zu finden.

Gleichzeitig bemühen sich alle beteiligten Behörden ihre eigenen Auslegungsregeln in Form von FAQs (frequently asked questions) zu veröffentlichen. Man findet dieses FAQ sowohl vom Bundeswirtschaftsministerium als auch vom BAFA. Auf europäischer Ebene kann man zahlreiche FAQs der EU - Kommission zu unterschiedlichen Detailthemen lesen. Auch diese ändern sich quasi täglich.

An diesem bunten Strauß von Verordnungen zur Erweiterung und zu Korrekturen der bestehenden Embargoregeln, verbunden mit zahlreichen FAQs unterschiedlicher Behörden, die sich teilweise auch widersprechen, ist die ganze Misere gesetzgeberischen Handelns abzulesen. Das ist durch den Normenadressaten nur noch eingeschränkt zu überblicken. Wir erreichen die Grenze der Sinnhaftigkeit. Mäßigung ist hier dringend erforderlich - nicht inhaltlich, sondern gesetzestechnisch. Verordnungen müssen wieder lesbar und durch die Adressaten, die Unternehmen, verständlich und damit umsetzbar werden. Es darf nicht sein, dass jede hastig heruntergeschriebene und schlecht übersetzte Verordnung durch zahlreiche FAQs unterschiedlicher Behörden erst erläutert werden muss, damit man sie anwenden kann. Zu nennen ist hier die Diskussion zu der Frage, was ein „Altvertrag“ ist oder ob und in welchem Umfang eine „Bestandteilsregelung“ bei den verschiedenen Güterlisten gilt. Was gilt, muss in der Verordnung stehen und nicht in den FAQs. So sehr man die Behörden für ihre Mühe der FAQs loben muss, FAQs kennen weder unsere Verfassung noch die staatsrechtlichen Regelungen der EU. Wenn eine Verordnung in dieser Intensität durch FAQs erläutert werden muss, sollte man vielleicht mehr Energie in eine Verordnungsnovelle investieren.

Die diese Regeln umsetzenden Behörden - aber auch Unternehmensmitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Beraterinnen und Beratern - sei großer Respekt gezollt. Wenn die Verordnungen bereits am Tag der Veröffentlichung gelten, bedeutet dies in der Praxis, dass wir täglich das Amtsblatt der EU zu lesen haben, was - beim ersten Kaffee - herausfordernd ist. Was dies jedoch an Arbeitskraft bindet, ist immens. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass jeder vermeintliche Verstoß derzeit an die Zollfahndungsämter abgegeben zu werden scheint. Dies führt zusätzlich zu erheblichen Verteidigungskosten, weil nunmehr geprüft wird, ob ein Strafermittlungsverfahren gegen die Unternehmen oder ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geführt wird, das erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, wenn es nicht angemessen erwidert wird. Auch hier ist auf Seiten der Behörden dringend Mäßigung angezeigt.

Wenn sich über diesen Zustand die Vertreterin des Bundesfinanzministeriums auf dem Europäischen Zollrechtstag in der vergangenen Woche beklagt, indem sie berichtet, dass Verordnungsentwürfe von der EU-Kommission teilweise am Abend um 22 Uhr an das Ministerium geschickt werden mit der Bitte um Bearbeitung bis zum nächsten Morgen um 6 Uhr, so kann das nicht als Rechtfertigung für die teilweise schlechte Qualität dieser Gesetzestexte gelten. Sie oder ihre KollegInnen sitzen schließlich in Brüssel am Tisch und könnten durch ihre Stimme - und gegebenenfalls ein Veto - eine Änderung dieser Praxis herbeiführen. Andere Mitgliedstaaten können das auch, wenn es um ihre Interessen geht.

Kurzum: Alle Beteiligten wollen effektive Maßnahmen, um Druck auf Russland auszuüben, den schlimmen Krieg gegen die Ukraine zu beenden. Aus unserer Sicht und im Interesse der sinnvollen Umsetzung der Ziele der Embargoverordnungen wünschen wir uns jedoch nach der Sommerpause eine Rückkehr zu mehr Qualität in Form von Klarheit und ggf. Erläuterungen in den Verordnungen. Für die zahlreichen Strafermittlungsverfahren, von denen wir als Verteidiger Kenntnis erlangen, ist das Vorgesagte Teil einer sinnvollen Verteidigung. Unseres Erachtens wollen die beteiligten Unternehmen sorgfältig ihre Pflichten aus den Embargoverordnungen erfüllen. Dies ist Teil der Bestrebung von Unternehmen, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und natürlich auch von uns Beratern, den Zielen von „Verantwortung, Nachhaltigkeit und Menschenrechten“ wie auf dem Europäischen Zollrechtstag diskutiert, gerecht zu werden.