12.02.2021 15:10 Alter: 3 yrs
Kategorie: Steuern
Von: Rechtsanwalt Heiko Panke

BFH: Auslegung des Anlagenbegriffs des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in einem Urteil vom 15.09.2020 – VII R 30/19 zum Anlagenbegriff im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 des Stromsteuergesetzes (StromStG) geäußert und stellte dazu folgende Leitsätze auf:

  1. NV: Bei der funktionsbezogenen Auslegung des Anlagenbegriffs ist auf die Gesamtheit der technischen Einrichtungen und auf den Funktionszusammenhang abzustellen (…).
  2. NV: Der Betrieb verschiedener Motorgeneratoren mit unterschiedlichen Energieerzeugnissen (im Streitfall Rohbiogas und Erdgas) steht der Annahme einer einzigen Anlage nicht entgegen.

Sachverhalt

Im zu entscheidenden Fall wandte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) sich gegen die Nachbesteuerung von Strom für das Kalenderjahr 2013 aufgrund der rechtlichen Verklammerung von vier Kraft-Wärme-Kopplung-Gasmotoren zu einer Stromerzeugungsanlage. Als Stadtwerke belieferte sie Abnahmestellen in ihrem Stadtgebiet mit Strom, Gas und Wärme, wobei sie über eine entsprechende stromsteuerrechtliche Erlaubnis zur Versorgung von Letztverbrauchern verfügte. Zur Strom- und Wärmeerzeugung betrieb sie in einer Halle in Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) seit 1991 zwei mit Erdgas betriebene Motorgeneratoren sowie seit Ende 2011 zusätzlich zwei mit Rohbiogas betriebene Motorgeneratoren.

Bei der Installation der Rohbiogasmotoren wurde die bestehende Infrastruktur der ausgemusterten Erdgasmotoren teilweise weitergenutzt, das betraf z.B. die Abgasleitung zum Schornstein, Stromkabel, die Netzkopplung und Teile des Heizwasserkreislaufs. Neu installiert wurden sämtliche Zähler, der Motor, die Wärmetauscher, in 2013 die komplette Gaszuleitung, die Schalldämpfer und Katalysatoren und die Steuerungsschränke, die Kommunikationsanlage der Biogaserzeugungsanlage mit den Biogasmotoren, die Pumpen und Teile der Verrohrung unter den Motoren.

Die Rohbiogasmotoren verfügten im Streitjahr über eine elektrische Nennleistung von jeweils 882 kW. Das Rohbiogas wurde mittels einer Direktleitung ohne Verbindung zum unternehmenseigenen Erdgasnetz von der Rohbiogaserzeugung zugeführt. Nur das dort erzeugte Rohbiogas konnte in den Rohbiogasmotoren verbrannt werden. Zwischen der Rohbiogasproduktion und den Motoren befand sich ein als Puffer ausgelegter Biogasspeicher, wodurch die beiden Rohbiogasmotoren bei einem Ausfall der Rohbiogasproduktion ca. vier Stunden bei voller Leistung weiterlaufen konnten. Weil sich in dem Speicherbehälter z.B. auch schwankende Bestände von Gärresten befanden, war die gespeicherte Biogasmenge nicht konstant.

Soweit ausreichend Rohbiogas als Brennstoff verfügbar war, liefen die Motoren im Streitjahr nahezu durchgängig mit der höchstmöglichen Leistung und modulierten dabei zwischen 75% und 100% ihrer Nennleistung (druckgesteuerter Betrieb). Der erzeugte Strom wurde je Motor gemessen und über die Sammelschiene in das Mittelspannungsnetz (10 kV) der Klägerin eingespeist, das ausschließlich auf das Stadtgebiet begrenzt war. Dieser Strom wurde im angrenzenden Stadtgebiet verbraucht. Die neben dem Strom erzeugte Wärme wurde einzeln je Motor gemessen, über jeweils ausschließlich dem einzelnen Rohbiogasmotor dienende Wärmetauscher entnommen und an das Fernwärmenetz der Klägerin abgegeben. Aufgrund der Druckführung verfügten die Rohbiogasmotoren über einen Bypass, der eine Auskopplung des Abgasstroms aus den Wärmetauschern ermöglichte, sowie über eine Notfackel, mittels derer Gas hätte abgebrannt werden können.

In der gleichen Halle betrieb die Klägerin seit 1991 zwei Erdgasmotoren mit einer elektrischen Nennleistung von jeweils 1,2 MW. In beiden Motoren wurde im Streitjahr Erdgas aus dem allgemeinen Versorgungsnetz zur Erzeugung von Wärme und Strom verwendet. Die Erdgasmotoren kamen zur Abdeckung eines über die Leistung der Rohbiogasmotoren hinausgehenden Wärmebedarfs zum Einsatz (wärmegeführter Betrieb). Der erzeugte Strom wurde je Motor gemessen und über die Sammelschiene in das Mittelspannungsnetz der Klägerin eingespeist. Die erzeugte Wärme wurde jeweils gemessen und über ausschließlich dem jeweiligen Erdgasmotor dienende Wärmetauscher an das unternehmenseigene Fernwärmenetz übertragen.

Die vier streitgegenständlichen Motoren verfügten jeweils über eigene Steuerungsschränke, Stromzähler, Wärmemengenzähler, Schalldämpfer und Katalysatoren. Die Abgase der vier Motoren wurden jeweils separat pro Motor durch ein eigenes Rohr - in einem gemeinsamen Schornstein - abgeleitet.

Die erzeugte Wärme wurde über ein gemeinsames Leitungssystem in fünf in der Nähe der Halle gelegenen Wärmespeichertanks gespeichert. Dabei vermischten sich die Wärmemengen der Erdgas- und der Rohbiogasmotoren, bevor sie von Spitzenlastkesseln im Heizwerk, das sich in einem angrenzenden Gebäude befindet, je nach Fernwärmebedarf weiter erhitzt oder direkt in das Fernwärmenetz eingespeist wurden. Hinter der Heizkesselanlage befand sich ein weiterer Wärmemengenzähler. Die Spitzenlastheizkessel waren so ausgelegt, dass sie auch ohne den Betrieb der Rohbiogasmotoren und der Erdgasmotoren den gesamten Wärmebedarf des Fernwärmenetzes durch Verheizen von Erdgas hätten bedienen können.

Die Wärmeleistung der beiden Rohbiogasmotoren reichte nicht aus, um das Fernwärmenetz der Klägerin stets mit ausreichender Wärme zu versorgen. Bei höherem Wärmebedarf wurden im Streitjahr die Spitzenlastkessel des Heizwerks und kumulativ oder alternativ die beiden Erdgasmotoren betrieben.

Die vier Motoren waren unabhängig voneinander (parallel) geschaltet und wurden individuell betrieben. Die Energiemengen wurden pro Motor gemessen und dokumentiert. Die Motoren konnten jeweils einzeln angesteuert werden, entweder direkt an den Motoren oder über das unternehmenseigene Leitsystem. Es gab keine vollautomatischen Interdependenzen zwischen den Rohbiogas- und den Erdgasmotoren hinsichtlich der Strom- oder Wärmeerzeugung. Ob die Spitzenlastkessel oder die Erdgasmotoren in Betrieb genommen wurden, richtete sich nach dem betriebsinternen Fahrplanmanagement. Dieses war mit dem Übertragungsnetzbetreiber abgestimmt, um die Stabilität des Stromnetzes zu sichern. Es sah vor, dass die Rohbiogasmotoren druckgeführt möglichst durchgängig laufen sollten, um Strom und Wärme zu erzeugen. Wenn das Wärmeniveau in dem Fernwärmenetz lastbedingt absank, sprangen grundsätzlich zunächst die Spitzenlastheizkessel an. Wenn das Fahrplanmanagement dies vorsah, wurden manuell in der Netzleitstelle zusätzlich zu den Spitzenlastheizkesseln die Erdgasmotoren eingeschaltet. Ein reiner Kesselbetrieb sollte wegen der besseren Wirkungsgrade der Erdgasmotoren so gering wie möglich gehalten werden. Deshalb aktivierte die Klägerin bei besonderem Wärmebedarf möglichst auch die Erdgasmotoren. Das genaue Austarieren der Wärmeleistung erfolgte mittels der Spitzenlastkessel, weil diese aus technischer Sicht hierzu besser geeignet sind. Die Kessel weisen kürzere Start-/Stopplaufzeiten auf als die Erdgasmotoren, deren Leistung zudem nicht modulierbar ist. Die Wirtschaftlichkeit des Betriebs der Motoren und der Heizkessel richtete sich auch nach der schwankenden Strommarktsituation. Die Erdgasmotoren und die Heizkessel konnten hinsichtlich ihrer jeweiligen Wärmeleistung aufeinander abgestimmt werden, die Rohbiogasmotoren nicht. An kalten Wintertagen reichte die Wärmeleistung der Erdgasmotoren und der Rohbiogasmotoren auch bei gleichzeitigem Betrieb nicht aus, so dass regelmäßig die Heizkesselanlage parallel lief.

Die Rohbiogasmotoren wiesen im Streitjahr ca. 7 700 Vollbenutzungsstunden auf, die Erdgasmotoren lediglich ca. 800 Vollbenutzungsstunden. Bei rechnerisch 8 760 Stunden im Jahr liefen die Rohbiogasmotoren damit zu 88% des Jahres unter Volllast, was unter Berücksichtigung von Wartungszeiten oder sonstigen Nichtbenutzungszeiten im Ergebnis einem Dauerbetrieb entsprach, während die Erdgasmotoren lediglich zu 9% des Jahres liefen.

Für das Kalenderjahr 2013 meldete die Klägerin die aus den zwei Rohbiogasmotoren entnommene Strommenge in Höhe von […] MWh als stromsteuerbefreit nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG in der im Streitjahr maßgeblichen Fassung an. Die verwendeten Rohbiogasmengen versteuerte die Klägerin gemäß § 28 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) nicht.

Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA -) zu der Auffassung, dass die vier Motoren als eine Anlage zu behandeln seien, und setzte deshalb mit Steuerbescheid vom 30.06.2015 für die im Kalenderjahr 2013 bei der Klägerin entnommene Strommenge Stromsteuer in Höhe von […] € fest.

Nach erfolglosem Einspruch hatte die Klage Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die beiden Rohbiogasmotoren nicht mit den beiden Erdgasmotoren zu einer Anlage i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG verklammert werden könnten. Es handele sich bei jedem der streitgegenständlichen KWK-Motoren um jeweils eine Stromerzeugungseinheit. Es liege keine Anlage in Modulbauweise i.S. des § 12b Abs. 1 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes (Stromsteuer-Durchführungsverordnung - StromStV -) vor, weil sich die verschiedenen Motoren in Technik und Funktion unterschieden und deshalb nicht austauschbar seien. Es liege weder eine zentrale Steuerung noch ein einheitliches automatisiertes Motormanagement vor. Die Motoren seien wegen der unterschiedlichen technischen Eigenschaften auch nicht unmittelbar miteinander verbunden (§ 12b Abs. 1 Satz 1 StromStV). Nicht entscheidend sei, dass sämtliche Stromerzeugungseinheiten in dasselbe Mittelspannungsnetz der Klägerin einspeisten.

Hiergegen richtet sich die Revision des HZA. Es ist der Ansicht, dass es sich bei den von der Klägerin in einer Halle betriebenen vier KWK-Anlagen um eine Anlage i.S. von § 12b Abs. 1 1 StromStV handele. Bei einer „Verklammerung“ der vier KWK-Anlagen betrage die elektrische Nennleistung deutlich mehr als zwei MW, weshalb eine Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG ausscheide. Dass die Motoren mit unterschiedlichen Brennstoffen betrieben würden, sei ohne Belang, weil § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG hinsichtlich der Stromerzeugung nicht nach den Brennstoffen unterscheide. Es sei auch nicht erforderlich, dass bei einer Modulbauweise alle Stromerzeugungseinheiten technisch identisch seien und in gleicher Fahrweise betrieben würden. Entscheidend sei, dass die Module einer KWK-Anlage an einem Standort - wie im Streitfall - der Versorgung eines bestimmten Gebiets mit Strom und Fernwärme dienten. Sie müssten nicht gleich sein, jedoch sinnvoll aufeinander abgestimmt eine gemeinsame technische Einheit bilden. Die vier KWK-Anlagen bildeten insbesondere deshalb eine Einheit, weil sie sich in einem Objekt befänden und die entnommenen Wärmemengen über ein gemeinsames Leitungssystem abgeleitet würden. Für die Versorgung der Kunden mit Wärme und Strom sei jedes Anlagenteil erforderlich.

Entscheidung des BFH

Der BFH gab dem HZA Recht und sah die Revision als begründet an.

Das FG habe zu Unrecht entschieden, dass die Klägerin keine Anlage mit einer elektrischen Nennleistung von über zwei MW betreibe, denn die von der Klägerin betriebenen vier Motoren seien als eine einzige Anlage anzusehen, weshalb für den streitbefangenen Zeitraum eine Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG nicht in Betracht käme.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG Buchst. b StromStG sei Strom unter der Voraussetzung von der Steuer befreit, dass er in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu zwei MW erzeugt werde und von demjenigen, der die Anlage betreibe oder betreiben lasse, an Letztverbraucher geleistet werde, die den Strom im räumlichen Zusammenhang zu der Anlage entnehmen würden.

Das StromStG setze den Begriff der Anlage voraus, ohne ihn näher zu definieren. Die Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG beruhe auf Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 Satz 2 der RL 2003/96/EG. Nach Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 Satz 2 der RL 2003/96/EG könnten die Mitgliedstaaten „kleine Stromerzeuger“ von der Steuer befreien, sofern sie die zur Stromerzeugung verwendeten Energieerzeugnisse besteuerten. Eine Definition der „kleinen Stromerzeuger“ enthalte die Richtlinie nicht, so der BFH, weshalb es einer Auslegung des Anlagenbegriffes bedürfe.

Nach der Rechtsprechung des BFH sei ausgehend von Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung von einem funktionsbezogenen Anlagenbegriff auszugehen, der eine isolierte Betrachtung einzelner Module verbiete, denn die steuerliche Freistellung von Anlagen mit geringer Stromerzeugung soll insbesondere die dezentrale Stromerzeugung in Kleinanlagen fördern. Eine isolierte Betrachtung jeder einzelnen stromerzeugenden Einheit liefe diesem gesetzgeberischen Ziel zuwider, da bei dieser Auslegung Stromerzeuger an einem Standort beliebig viele KWK-Anlagen mit einer jeweiligen Nennleistung von bis zu zwei MW errichten und zusammen betreiben könnten, ohne dass die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG entfiele. Darüber hinaus sprechen auch fiskalpolitische Gründe gegen eine Ausweitung des als Ausnahmeregelung konzipierten.

Es sei auf die Gesamtheit der technischen Einrichtungen und auf den Funktionszusammenhang abzustellen. Als Kriterien könnten u.a. die räumliche Anordnung und Unterbringung der Module, die messtechnische Erfassung der eingesetzten Energieträger und des erzeugten Stroms sowie der erzeugten Wärme, die Steuerungsmöglichkeiten oder die Leitungsführung herangezogen werden. Starke, wenn auch nicht allein ausschlaggebende Indizien für das Vorliegen einer Gesamtanlage seien die räumliche Zusammenfassung mehrerer Aggregate an einem Standort, z.B. in einem Gebäude, sowie der Betrieb eines Blockheizkraftwerks durch einen Betreiber und die Versorgung eines bestimmten Abnehmerkreises mit Strom und Wärme. Dabei sei der Anlagenbegriff aus verbrauchsteuerrechtlicher Sicht eigenständig auszulegen. Insbesondere könne wegen der unterschiedlichen Zielsetzungen der gesetzlichen Regelungen nicht auf die Anlage-Definitionen in § 3 Abs. 2 des Gesetzes für den Vorrang erneuerbarer Energien i.d.F. vom 21.07.2004 und in § 3 Abs. 3 des Gesetzes für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung zurückgegriffen werden.

Mit Wirkung vom 04.08.2006 sei durch die Verordnung zur Durchführung energiesteuerlicher Regelungen und zur Änderung der Stromsteuer-Durchführungsverordnung vom 31.07.2006 erstmals in die StromStV eine Vorschrift eingefügt worden, die den Begriff der Anlage erläutere. Nach § 12a StromStV in der damaligen Fassung sollten mehrere unmittelbar miteinander verbundene Stromerzeugungseinheiten an einem Standort als eine Anlage zur Stromerzeugung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes gelten. Als unmittelbar miteinander verbunden sollten insbesondere auch Anlagen in Modulbauweise gelten, die sich im selben baulichen Objekt befanden. Diese Fiktionen seien exemplarisch und nicht abschließend, so der BFH.

Durch die Verordnung zur Änderung der Energiesteuer- und der Stromsteuerverordnung vom 20.09.2011 wurde die Regelung in § 12b Abs. 1 StromStV übernommen und sei seitdem unverändert, die zuletzt durch Art. 3 der Verordnung vom 14.08.2020 geändert worden sei. § 12b Abs. 1 StromStV lege im Rahmen der Ermächtigungsnorm des § 11 Satz 1 Nr. 8 Buchst. a StromStG den Begriff der Anlage in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG in zulässiger Weise aus.

Den Begriff Modulbauweise definiere die StromStV nicht. Üblicherweise verstehe man unter einem Modul einen Baustein bzw. ein Bauelement, das einerseits in sich eine gewisse Abgeschlossenheit bzw. eigenständige Funktionalität aufweise und andererseits durch seine Struktur und vorhandene Schnittstellen dafür vorgesehen sei, in ein größeres System integriert zu werden. Ausreichend, aber nicht erforderlich sei, dass die einzelnen Module identisch oder austauschbar seien. Unter Berücksichtigung des Gesamtbildes und der Funktion der von der Klägerin betriebenen vier Motoren stellten diese vier stromerzeugenden Aggregate eine einzige Anlage dar.

Ob es sich bei den Motoren um Anlagen in Modulbauweise handele, konnte der Senat dahinstehen lassen, weil § 12b Abs. 1 Satz 2 StromStV Anlagen in Modulbauweise lediglich als Beispiel für unmittelbar verbundene Stromerzeugungseinheiten ansprechen würden. Jedenfalls seien im Streitfall die vier gasbetriebenen Motoren unmittelbar miteinander verbunden i.S. von § 12b Abs. 1 Satz 1 StromStV. Soweit das FG das Vorliegen dieses Merkmals in § 12b Abs. 1 Satz 1 StromStV verneint habe, tragen seine Feststellungen diese Schlussfolgerung nicht, so der BFH.

Für die Annahme einer unmittelbaren Verbundenheit hätten die räumliche Unterbringung der vier Motoren in einer Halle, die Einspeisung des erzeugten Stroms in das Mittelspannungsnetz der Klägerin über eine Sammelschiene, die Funktionsweise und die technische Abstimmung der einzelnen Komponenten (Motoren und Heizkessel) sowie die Abgabe des erzeugten Stroms und der Wärme an Letztverbraucher im Stadtgebiet der Klägerin gesprochen. Maßgeblich sei, dass die in den vier Motoren erzeugte Wärme erst in gemeinsamen Wärmespeichertanks gemischt und gespeichert und dann je nach Fernwärmebedarf der Klägerin weiter erhitzt oder direkt in ihr Fernwärmenetz eingespeist worden sei.

Gegen die Annahme einer einzigen Anlage habe nicht gesprochen, dass die Motoren mit unterschiedlichen Energieerzeugnissen - Rohbiogas einerseits und Erdgas andererseits - betrieben worden seien, weil die Stromsteuerbefreiung in § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG für die Erzeugung von Strom nicht nach den verwendeten Energieerzeugnissen differenziere. Dass die erzeugten Strom- und Wärmemengen getrennt für jeden Motor erfasst werden können, hindere ebenfalls nicht die Annahme einer einzigen Anlage. Schließlich komme es nicht darauf an, dass die Klägerin die Motoren zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Betrieb genommen habe.

Für die Annahme einer einzigen Anlage habe darüber hinaus der Umstand gesprochen, dass die einzelnen Komponenten aufeinander abgestimmt seien. Nach den bindenden Feststellungen des FG haben die Erdgasmotoren und die Heizkessel zur Abdeckung eines über die Leistung der Rohbiogasmotoren hinausgehenden Wärmebedarfs gedient, weil die Wärmeleistung der Rohbiogasmotoren nicht ausgereicht habe, um den Bedarf in Spitzenzeiten zu decken. Das betriebsinterne Fahrplanmanagement habe entschieden, ob die Erdgasmotoren oder die Heizkessel eingesetzt werden sollten. Das erfolgte nach den Feststellungen des FG in Abstimmung mit dem Übertragungsnetzbetreiber, um die Stabilität des Stromnetzes zu sichern, so der BFH. Damit habe festgestanden, dass die einzelnen Komponenten aufeinander abgestimmt waren.

Im Ergebnis waren daher für die Ermittlung der elektrischen Nennleistung der Anlage die Leistungen der vier Motoren zusammenzurechnen, weshalb die Gesamtleistung nach den Feststellungen des FG über zwei MW gelegen habe, so dass das FG eine Begünstigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG zu Unrecht gewährt habe.

Quelle: Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15.09.2020 – VII R 30/19