26.10.2020 08:25 Alter: 3 yrs
Kategorie: Steuern
Von: Rechtsanwältin Almuth Barkam

BFH zur Zuordnung der bewegten Lieferung im Reihengeschäft

Mit Urteil vom 11.03.2020 hat der BFH zur Bestimmung der bewegten Lieferung in einem Reihengeschäft Stellung genommen (BFH, Urteil v. 11.3.2020 - XI R 18/18). Strittig war die umsatzsteuerrechtliche Behandlung des Transports von Maschinenteilen im Rahmen eines grenzüberschreitenden Reihengeschäfts.

Die in Deutschland ansässige Klägerin bekam im September 2012 den Auftrag von der in Großbritannien ansässigen Vertragspartnerin (B Ltd.), Ersatzteile für eine Maschine zu liefern. Diese wurde zuvor von einer weiteren Firma aus den USA (C Inc.) mit der Lieferung beauftragt, deren Bestellung wiederum für eine Firma aus Peru (D S.A.) erfolgte. Die Ware sollte unmittelbar von Deutschland nach Peru geliefert werden.

Im Dezember 2012 stellte die Klägerin eine Rechnung an ihre Vertragspartnerin, die B Ltd., aus. Umsatzsteuer wurde nicht gesondert ausgewiesen. Die Rechnung enthielt die Zusätze: „Steuerfreie Ausfuhrlieferung nach § 6 UStG i.V.m. § 4 Nr. 1 a UStG“, „Taxfree delivery“, Tax 0 %“, „Bewegte Lieferung“ und die Umsatzsteuer-ID der Abnehmerin in Großbritannien. Der von der Klägerin erstellte Lieferschein enthielt folgende Angaben: die Lieferanschrift der D S.A. in Peru, durch Auftrag der B Ltd., als Rechnungsanschrift den Sitz der C Inc. in den USA und die Lieferbedingung „ab Werk – EXW“.  Im Ausgangsvermerk, den die Klägerin von der beauftragten Spedition erhielt, ist die Klägerin als Absender der Sendung und als Anmelder aufgeführt.

In der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2012 berücksichtigte die Klägerin die Lieferung an die B Ltd. im Rahmen der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen. Im Zuge einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass es sich bei der Lieferung an das britische Unternehmen um eine Lieferung in einem Reihengeschäft handele und dass die Versendung der Ware nur der Lieferung an das US-Unternehmen oder an den Abnehmer in Peru zugeordnet werden könne, weil die US-Firma die Waren versendet habe. In beiden Fällen sei die Lieferung der Klägerin an die Firma in Großbritannien die ruhende Lieferung, die in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig sei.

Der Einspruch gegen die Festsetzung des höheren Umsatzsteuerbetrags und die anschließende finanzgerichtliche Klage hatten keinen Erfolg. Der BFH hat die Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf bestätigt, dass in der Lieferung der Maschinenteile durch die Klägerin an die B Ltd. keine steuerfreie Ausfuhrlieferung zu sehen sei.

Er stellt zunächst klar, dass die Grundsätze zur bewegten Lieferung im Reihengeschäft auch bei Ausfuhrlieferungen anwendbar sind und verweist diesbezüglich auf die bisherige Rechtsprechung und die neue Regelung im neuen § 3 Abs. 6a Satz 6 UStG, die im Streitfall jedoch noch nicht galt.

In seiner Begründung legt der BFH dar, dass die Klägerin im Streitjahr eine Lieferung an die B Ltd. ausgeführt hat. Gemäß § 3 Abs. 1 UStG seien Lieferungen (eines Unternehmers) Leistungen, durch die dieser den Abnehmer befähige, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Unter Verweis auf die neuere EuGH-Rechtsprechung stellt der BFH klar, dass die Verschaffung der Verfügungsmacht auch in der freiwilligen Übergabe durch den Eigentümer an den Erwerber zu sehen sein könne. Daraus folge, dass dem (ggf. Zweit-)Erwerber Verfügungsmacht verschafft werde, wenn er den Gegenstand abhole (Rn. 35).

Mit der vollständigen Zahlung des Kaufpreises am 19.12.2012 sei das Eigentum an den Ersatzteilen bereits vor der im März erfolgten Verschiffung der Gegenstände nach Peru von der Klägerin auf die B Ltd. übertragen worden. Der Umstand, dass die Klägerin im Ausgangsvermerk als Versender der Waren bezeichnet worden sei, könne nicht dahingehend gewürdigt werden, dass die Klägerin die Befähigung, wie ein Eigentümer über die Ersatzteile zu verfügen, noch während des grenzüberschreitenden Transports innegehabt habe. Die Klägerin habe eingeräumt, dass sie insoweit nur als Hilfsperson für die C Inc. zur Erfüllung der zollrechtlichen Formalitäten in Erscheinung getreten sei. Die Verfügungsmacht und das rechtliche Eigentum seien bereits vor Grenzübertritt auf die C Inc. übergegangen. Die Versendung der Ersatzteile sei somit dieser und nicht der Klägerin oder der B Ltd. zuzuordnen, denn nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH sei auf die zeitliche Abfolge von Verschaffung der Verfügungsmacht und Beförderung bzw. Versendung abzustellen.

Da im Streitfall weder die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 noch der Nr. 2 UStG vorgelegen haben, sei eine steuerfreie Ausfuhrlieferung der Klägerin nicht gegeben. 

Fazit:

Die Entscheidung zeigt, dass insbesondere in Abholfällen bei Kenntnis von einem Reihengeschäft genau zu prüfen ist, welche Lieferung als bewegte und damit steuerfreie Lieferung in der Reihe anzusehen ist. Der Ausgangsvermerk als Nachweis für die Ausfuhrlieferung reicht allein nicht aus, um eine steuerfreie Ausfuhrlieferung des im Ausgangsvermerk aufgeführten Ausführers anzunehmen. Er kann ein Indiz dafür sein, wo die steuerfreie Ausfuhrlieferung anzunehmen ist. Entscheidend sind jedoch die konkreten Umstände des Einzelfalls und vor allem der Zeitpunkt der Übertragung der Verfügungsmacht.

Vertiefend: BFH, Urteil vom 11. März 2020 - XI R 18/18