13.03.2019 10:57 Alter: 5 yrs
Kategorie: Steuern
Von: Julia Gnielinski

BGH erachtet Übergangsvorschrift zum neuen strafrechtlichen Vermögensabschöpfungsrecht für teilweise verfassungswidrig

Echte Rückwirkung im Bereich der selbstständigen Einziehung

Der BGH hat am 07.03.2019 das Verfahren 3 StR 192/18 insoweit ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit vorgelegt, wie es um die selbstständige Einziehung der Taterträge eines bereits verjährten Vorwurfes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes geht, der bereits vor der Einführung des Gesetzes verjährt war.

Der BGH vertritt die Ansicht, dass Art. 316h Satz 1 EGStGB unvereinbar sei mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG und Prinzipien aus den Grundrechten nämlich der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, soweit er § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB in Verbindung mit § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB sowie § 76 b Abs. 1 StGB jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 in Fällen für anwendbar erklärt, in denen hinsichtlich der rechtswidrigen Taten, aus denen der von der selbstständigen Einziehung Betroffene etwas erlangt hat, bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 01.07.2017 Verfolgungsverjährung eingetreten war. 

Das Landgericht Oldenburg hatte festgestellt, dass sich die Angeklagten wegen Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung in größerem Umfang strafbar gemacht hätten, aber die Verfolgungsverjährung bereits eingetreten sei am 31.7.2016, also deutlich vor Inkrafttreten des neuen Vermögensabschöpfungsgesetzes. Trotzdem hat das Landgericht auf die Einziehung der Taterträge erkannt, denn nach dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) mit Wirkung zum 1. Juli 2017 geänderten Recht sei die Anordnung der selbständigen Einziehung von Erträgen auch aus verjährten Straftaten zulässig (§ 76a Abs. 2 Satz 1, § 78 Abs. 1 Satz 2, § 76b Abs. 1 Satz 1 StGB). Nach der Übergangsvorschrift des Art. 316h Satz 1 EGStGB sei das neue Recht rückwirkend auch auf Taten anwendbar, die vor dem Inkrafttreten begangen worden seien. Aufgrund der Koppelung an die verjährte Tat entsteht eine echte Rückwirkung des Gesetzes, die verfassungsmäßig verboten ist.

Das Ziel, das der Gesetzgeber mit dem neuen Vermögensabschöpfungsrecht verfolgte, strafrechtswidrig geschaffene Vermögenslagen zukunftsbezogen zu beseitigen, eröffnete ihm einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieses Ziel legitimiere indes für sich noch kein echt rückwirkendes Gesetz. Der nachträglichen Anordnung der selbständigen Einziehung von Taterträgen aus bereits vor dem 1. Juli 2017 verjährten Taten steht ein schutzwürdiges Vertrauen der Rechtsunterworfenen in die vor der Reform geltenden Verjährungsvorschriften entgegen. Sinn der strafrechtlichen Verjährungsvorschriften ist es, nach Ablauf einer gesetzlich bestimmten Zeit Rechtssicherheit herzustellen. Hat der Gesetzgeber das Gebot der Rechtssicherheit mit dem gegenläufigen Gedanken der materiellen Gerechtigkeit nach seinen Vorstellungen in einen angemessenen Ausgleich gebracht, so dürfen sich die Betroffenen grundsätzlich darauf verlassen, dass er nicht im Nachhinein eine abweichende Abwägung vornehme und die ursprünglichen Verjährungsvorschriften rückwirkend für unanwendbar erklärt. Denn nach der vorherigen Rechtslage war keine Vermögensabschöpfung mehr möglich.

Der Beschluss des BGH ist insoweit interessant und birgt Hoffnung für Betroffene, weil er auch für andere Tatbestände als die des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes zum Thema Rückwirkung der Einziehung Konsequenzen haben wird. Auch bei Steuerhinterziehungen sollte, solange das BVerfG noch nicht abschließend entschieden hat, bei Fällen, in denen die Steuerhinterziehung bereits vor dem 1.7.2017 verjährt war und trotzdem noch die selbstständige Einziehung nach § 76a II 1 StGB angeordnet wird, sollte die Revision angestrebt werden. 

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LG Oldenburg - 2 KLs 950 Js 42953/10 (86/12) - Urteil vom 17. Oktober 2017