13.09.2022 08:23 Alter: 2 yrs
Kategorie: Steuern
Von: Rechtsanwältin Julia Gnielinski

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie

Die Bemühungen des Bundesministeriums der Justiz zum Schutz von Hinweisgebern nehmen Fahrt auf.

Am 27.07.2022 veröffentlichte die Bundesregierung den Entwurf für ein Gesetz zum besseren Schutz hinweisgebender Personen vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen, in dessen Mittelpunkt das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) steht.

Anlass für das neue Gesetz ist die EU-Richtlinie 2019/1937, kurz Whistleblower-Richtlinie, die die Bundesregierung auf die Umsetzung in nationales Recht verpflichtet.

1. Regelungsinhalt

Das HinSchG soll Unternehmen und Behörden des öffentlichen Dienstes mit mindestens 50 Beschäftigten verpflichten, spätestens bis zum 17.12.2023 eine interne Meldestelle einzurichten, an die sich Hinweisgeber mit Verweis auf den Verstoß gegen Rechtsnormen wenden können. Darüber hinaus listet § 12 Abs. 3 HinSchG -E noch weitere Unternehmen auf, die auch verpflichtet sind unabhängig von ihrer Mitarbeiterzahl.

Der Entwurf geht über den Inhalt der Whistleblower Richtlinie hinaus, die sich nur auf Verstöße gegen Unionsrechte beschränkt: Er erstreckt sich auch auf entsprechende bundes- und landesrechtliche Regelungen. So dürfen nicht nur Verstöße gegen unionsrechtliche Umweltschutzbestimmungen, sondern auch Verstöße gegen rein nationale Vorgaben zum Umweltschutz aufgedeckt werden. Dasselbe gilt etwa für Vorgaben zum Tierschutz, zur Produktsicherheit, zur zivilen Luftverkehrssicherheit, und so weiter. Und ohne Regelungsbereich sind sämtliche Straftaten und Ordnungswidrigkeiten pauschal in den sachlichen Anwendungsbereich aufgenommen.

2. Umsetzung im Regierungsentwurf im Unterschied zum Referentenentwurf

Der Regierungsentwurf ähnelt dem zweiten Referentenentwurf vom 13.04.2022 (siehe hierzu: Infoletter April 2022), der aus dem Bundesjustizministerium stammt, in weiten Teilen. So übernimmt der Regierungsentwurf den Vorstoß, nicht nur Verstöße gegen Unionsrechtsakte zu erfassen, sondern darüber hinaus Verstöße gegen nationales Bundes- oder Landesrecht. Begründet wird diese überschießende Umsetzung des Unionsrechts unter anderem mit dem Umstand, dass Hinweisgeber nicht zwingend juristisch fachkundig sind und in Erwartung von Sanktionen im Falle der Meldung eines nicht vom Gesetz erfassten Verstoßes gegen nationales Recht abgeschreckt würden. Das neue Gesetz soll nicht solche Hinweisgeber schützen, die auf nicht in Rechtsnormen verankertes Fehlverhalten aufmerksam machen. Diese Regelung provozierte bereits Kritik unter Verfassungsrechtlern und NGOs, denn sie setzt eine gewisse juristische Expertise voraus. Zudem können auch nicht normierte Missstände in Unternehmen Betroffene grundrechtlich beeinträchtigen und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit wecken.

Rechtsverstöße, die die nationale Sicherheit betreffen, bilden, gleichlautend mit dem Referentenentwurf, keine meldefähige Grundlage nach dem HinSchG.

Zu einer Änderung hat sich das Kabinett hinsichtlich des Umgangs mit geheimen Informationen im öffentlichen Dienst durchgerungen: Hatte der Referentenentwurf noch eine vollständige Geheimhaltungspflicht vorgesehen, so erlaubt die Bundesregierung in ihrem Entwurf die Meldung von Verschlusssachen, Informationen des niedrigsten Geheimhaltungsgrades, an eine interne Meldestelle.

Der offenen Haltung des Referentenentwurfs zu anonymen Hinweisen begegnet das Bundeskabinett mit folgender Regelung: Meldestellen sollen anonymen Hinweisen zwar nachgehen; sie sind aber gehalten, nicht-anonyme Meldungen vorrangig zu bearbeiten. Wie im Referentenentwurf angelegt, besteht laut Gesetzesentwurf keine Verpflichtung, anonyme Hinweise entgegenzunehmen.

3.    Ausblick

Nach der Stellungnahme des Bundesrats und der Gegenäußerung der Bundesregierung muss der Gesetzesentwurf noch den Bundestag passieren. Damit rückt das avisierte Ziel des Bundeskabinetts, das neue HinSchG bis zum Ende des Jahres zu verkünden, in greifbare Nähe.

Für Unternehmen heißt das, hier besteht umgehend Handlungsbedarf: Unternehmen mit 250 Beschäftigten und mehr müssen die Meldestelle mit Inkrafttreten des Gesetzes eingerichtet haben, nur für Betriebe mit bis 249 Beschäftigten gilt noch eine Schonfrist bis zum 17.12.2023. Betriebe mit unter 50 Beschäftigten brauchen keine interne Hinweisgeberstelle, wenn sie nicht unter § 12 Abs. 3 HinSchG-E fallen.