02.12.2021 10:50 Alter: 2 yrs
Kategorie: Steuern
Von: Rechtsanwältin Julia Gnielinski

Die Umsetzung der EU-Hinweisgeberschutz- oder Whistleblower-Richtlinie

Was der Koalitionsvertrag in puncto Whistleblower-Richtlinie vorsieht.

Wenn ein Whistleblower Missstände oder Straftaten im eigenem Unternehmen gegenüber Behörden oder der Öffentlichkeit aufdeckt, darf er nicht automatisch mit Lob und Anerkennung rechnen. Die Realität für Hinweisgeber ist selten so glamourös wie bei der Ex-Facebook-Managerin oder den "Panama Papers". Im weniger schillernden Alltag kleinerer Unternehmen haftet Whistleblowern das Image des Unruhestifters und Petzers an, ihnen wird wegen des angeblichen Verrats von Geschäftsgeheimnissen gekündigt, Schadenersatzklagen oder gar ein Strafverfahren drohen.

Um ihren Schutz zu verbessern, hat die EU-Kommission die EU-Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (EU-Richtlinie 2019/1937 vom 23.10.2019, kurz EU-Hinweisgeberrichtlinie oder Whistleblower-Richtlinie), erlassen, die bis zum 17.12.2021 umgesetzt werden sollte.Die Richtlinie schafft den Schutzbereich für Whistleblower, die Verstöße gegen das Unionsrecht in bestimmten Bereichen melden – z. B. bei öffentlichen Aufträgen, Finanzdienstleistungen, Produktsicherheit, Verkehrssicherheit, Umweltschutz, Lebensmitteln, öffentlicher Gesundheit, Verbraucher- und Datenschutz.Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden sind der EU-Regel zufolge dazu zu verpflichten, interne Meldekanäle und wahlweise auch externe Möglichkeiten für Hinweisgeber einzurichten. Von 2023 an müssen dann alle Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden – also auch viele der deutschen kleineren und mittelständischen Unternehmen Whistleblower-Stellen einrichten. In Deutschland ist ein Gesetz dazu in diesem Sommer gescheitert. SPD und Union konnten sich nicht auf den Entwurf aus dem Justizministerium verständigen, der über den von der Richtlinie bereits vorgegebenen Schutzbereich auch auf Hinweise zu Schmiergeldzahlungen, Steuerhinterziehung oder auf Verstöße gegen deutsche Umweltschutz- oder Arbeitsschutzbestimmungen erweitern wollte.

Der Koalitionsvertrag der Ampelkoalitionäre vom 24.11.2021 sieht auf S. 113 unter der Überschrift Unternehmensrecht folgendes vor:

„Wir setzen die EU-Whistleblower-Richtlinie rechtssicher und praktikabel um. Whistleblowerinnen und Whistleblower müssen nicht nur bei der Meldung von Verstößen gegen EU-Recht vor rechtlichen Nachteilen geschützt sein, sondern auch von erheblichen Verstößen gegen Vorschriften oder sonstigem erheblichen Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen wegen Repressalien gegen den Schädiger wollen wir verbessern und prüfen dafür Beratungs- und finanzielle Unterstützungsangebote.“

Aus dieser Formulierung ist noch nicht zu erkennen, wie die Umsetzung genau geplant ist. Aber es ist zu erkennen, dass sie jetzt angegangen werden soll und wahrscheinlich auch über die EU-Vorgaben hinausgehen soll. Zumindest ergab sich das bereits aus dem Entwurf des Gesetzes von SPD-Justizministerin Lamprecht, aber auch aus dem Wahlprogramm der Grünen, S. 199 und aus dem Wahlprogramm der FDP, S. 39, dass auch hier ein deutlich größerer Schutz der Whistblower in arbeitsrechtlicher und strafrechtlicher Sicht angestrebt ist.

Sie sollten als Arbeitgeber schon jetzt das Heft in die Hand nehmen, ein Hinweisgebersystem installiert sich nicht von selbst, und es wird von Ihnen verlangt werden. Bereiten Sie sich darauf vor, für Ihren Betrieb die Möglichkeit auszuloten, dass Hinweise auch anonym ohne große Hürden abgegeben werden können. Denken Sie daran, Ihren Betriebsrat bzw. Personalrat mit einzubeziehen.