29.02.2016 16:30 Alter: 8 yrs
Kategorie: Steuern

Großes Ausmaß der Steuerhinterziehung - Rechtsprechungsänderung

Großes Ausmaß der Steuerhinterziehung stets ab Hinterziehung von 50.000 € Steuern - Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 10 Jahren

Der Strafrahmen der Steuerhinterziehung beträgt gemäß § 370 Abs. 1 AO Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Überdies müssen selbstverständlich die hinterzogenen Steuern zuzüglich Zinsen nachgezahlt werden.

Das Gesetz nennt darüber hinaus beispielhaft besonders schwere Fälle. In einem solchen Fall ist keine Geldstrafe mehr vorgesehen, sondern ein Mindestmaß von 6 Monaten Freiheitsstrafe und ein Höchstmaß von 10 Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt unter anderem vor, wenn die Tat ein großes Ausmaß erreicht. Welche Taten ein großes Ausmaß haben, wird von der Rechtsprechung bestimmt.

Seit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2008 galt die Unterscheidung, dass ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO bei dem Verschweigen von Einkünften vorliegt, wenn Steuern von mehr als 100.000 Euro verkürzt worden sind. Grund hierfür war, dass der Steueranspruch des Staates bei dem Verschweigen von Einkünften, etwa dem Weglassen eines Teils der Einkünfte in der Steuererklärung, lediglich gefährdet sei. In anderen Fällen dagegen, in denen etwa durch falsche Rechnungen überhöhte Vorsteuer-Erstattungen erlangt wurden, sollte ein großes Ausmaß ab einer Steuersumme von 50.000 Euro vorliegen. Unterschieden wurde also grob danach, ob das Finanzamt zahlen musste oder der Steuerpflichtige. Dies wurde auf eine Parallele zu dem Betrugstatbestand des § 263 StGB gestützt, bei dem zwischen eingetretenem Vermögensschaden und bloßer Gefährdung des Vermögens differenziert wird.

Diese Unterscheidung hat der Bundesgerichtshof für den Tatbestand der Steuerhinterziehung jetzt aufgegeben. Es kommt bei der Feststellung, ob das Regelbeispiel des großen Ausmaßes verwirklicht ist, nun nicht mehr darauf an, wie und um wie viel die Steuer verkürzt worden ist, sondern allein darauf, um wie viel. Beträgt die Steuerverkürzung mehr als 50.000 Euro, ist eine Freiheitsstrafe gemäß dem härteren Strafrahmen zu verhängen. Rechtssystematisch begründet der Bundesgerichtshof die Änderung seiner Rechtsprechung damit, dass anders als bei dem Betrugstatbestand gemäß § 263 StGB die Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO kein Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens kennt. Der Tatbestand der Steuerhinterziehung sei bereits verwirklicht, wenn das Steueraufkommen durch Verschweigen gefährdet werde.

Mit dem Urteil (BGH, Urteil vom 27.10.2015 - 1 StR 373/15) wurde eine Freiheitsstrafe gegen den Inhaber einer Pizzeria verhängt, der die betrügerische Praxis seines Vorgängers - seines Onkels - unverändert und in Absprache mit diesem weitergeführt hatte. Er hatte Einnahmen aus der Registrierkasse löschen lassen, bevor die Bons ausgedruckt wurden, und bezogene Waren teilweise bar bezahlt, damit seine vollständigen Wareneingänge nicht erkannt werden sollten. Für die Frage des großen Ausmaßes waren hinterzogene Steuern von mehr als 50.000, aber weniger als 100.000 Euro relevant. Er wurde wegen mehrerer Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Aussetzung einer Freiheitsstrafe wegen Steuerhinterziehung zur Bewährung ist nur bis zu einem Verkürzungsbetrag von 1 Million Euro grundsätzlich möglich, wie der Bundesgerichtshof ebenfalls in jüngerer Zeit entschieden hat.

Das Urteil belegt die Tendenz der Gesetzgebung und Gerichte, Steuerstraftaten wesentlich strenger zu ahnden als in der Vergangenheit. In unserer täglichen Praxis beobachten wir zunehmend, dass die Finanzverwaltung mit mehr Schärfe gegen Steuerpflichtige vorgeht, auch gegen solche, die kein auf Steuerverkürzung angelegtes System konstruieren wie die vom Bundesfinanzhof Verurteilten. In Zukunft wird es voraussichtlich noch mehr Auseinandersetzungen um die Wahrung der Rechte auch der lauteren Steuerpflichtigen im Besteuerungs- wie im Strafverfahren geben.

Verfasser: Rechtsanwalt Arne Kiehn, Fachanwalt für Steuerrecht

Zur Vertiefung: BGH, Urteil vom 27.10.2015 - 1 StR 373/15