02.10.2019 10:48 Alter: 4 yrs
Kategorie: Steuern
Von: Dr. Ulrich Möllenhoff

Verpflichtung zur Rücknahme des Insolvenzantrages nach Ausgleich der Steuerforderungen

Bei der Aufrechterhaltung eines Insolvenzantrags trotz vollständigen Ausgleichs der Steuerforderungen muss weiterhin das Bestehen des Eröffnungsgrundes glaubhaft gemacht werden, sonst ist das Aufrechterhalten des Antrags unverhältnismäßig und damit ermessenfehlerhaft.

Der 2. Senat des FG Hamburg hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes das Finanzamt im Wege der einstweiligen Anordnung zur Rücknahme eines Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verpflichtet.
In diesem Verfahren hat der säumige Steuerpflichtige nach Stellung des Insolvenzantrages beim Amtsgericht zunächst einen Teil und später sämtliche Steuerforderungen des Finanzamtes ausgeglichen hatte. Überdies hatte er eine Gesamtbereinigung seiner wirtschaftlichen Situation u.a. durch Veräußerung einer Immobilie eingeleitet, Kredite zurückgeführt und Sozialversicherungsbeiträge vollständig geleistet. Außerdem bot er dem Finanzamt die Eintragung einer Sicherungsgrundschuld über 100.000 € zur Sicherung künftiger Steueransprüche an. Gleichwohl hielt das Finanzamt unter Berufung auf § 14 Abs. 1 S. 2 InsO seinen Insolvenzantrag aufrecht.
Nach dieser Vorschrift wird ein Insolvenzantrag nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird. Hält der Gläubiger seinen Antrag aufrecht, müssen die Eröffnungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen, als bestünde die Forderung noch, d.h. der Gläubiger muss ein rechtliches Interesse an der Verfahrenseröffnung (bzw. Fortführung) haben und einen Eröffnungsgrund glaubhaft machen. Das Finanzamt verwies darauf, dass sich der Steuerpflichtige bereits seit 2015 in der Vollstreckung befinde und man wegen seiner steuerlichen Unzuverlässigkeit den Rechtsverkehr in Zukunft vor ihm schützen müsse.
Das Gericht hat im Streitfall darin nicht die Voraussetzungen für ein Weiterbestehen des Eröffnungsgrundes gesehen, vor allem weil diese Behauptung nicht weiter belegt ist.
Da der Schuldner inzwischen eine Gesamtbereinigung seiner wirtschaftlichen Situation eingeleitet und die Eintragung einer Sicherheitsgrundschuld angeboten hatte, sei die Aufrechterhaltung des mit gravierenden Folgen verbundenen Insolvenzantrages unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft.
Schließlich liege auch ein Anordnungsgrund vor. Durch eine mögliche Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde seine wirtschaftliche Existenz unmittelbar bedroht. Bereits die Ankündigung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung könne zu einer Kündigung der Kreditverträge führen und die unmittelbare Zahlungsunfähigkeit herbeiführen.
Im Streitfall ist es zur Gewährleistung eines effektiven Rechtschutzes ausnahmsweise geboten, den Antragsgegner zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verpflichten, weil der Verweis auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren angesichts der gravierenden Folgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu irreversiblen Schäden führen würde und deshalb dem Antragsteller nicht zuzumuten ist. Im Vergleich zu den Nachteilen, die dem Antragsteller drohen, ist die durch die Entscheidung getroffene Regelung begrenzt, denn sie hindert den Antragsgegner nicht, unter veränderten Verhältnissen erneut die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen.

Eine Verpflichtung des Antragsgegners, das Ruhen des Insolvenzantrags beim Insolvenzgericht als eine Art Zwischenlösung zu beantragen, kommt ausdrücklich nicht in Betracht. Damit würde dem Antragsteller kein ausreichender Rechtschutz gewährt, denn auf das Insolvenzverfahren als einem Eilverfahren finden die Vorschriften über das Ruhen und die Aussetzung keine Anwendung.

Den vollständigen Beschluss finden Sie unter: FG Hamburg, Beschluss vom 02.07.2019 – 2 V 121/19.

Verfasser: Rechtsanwalt Dr. Ulrich Möllenhoff