27.10.2021 14:55 Alter: 2 yrs
Kategorie: Zoll
Von: Rechtsanwältin Almuth Barkam

EuGH bestätigt die Pflicht von Unionsbürgern, ein Ausweisdokument bei sich zu führen

Der EuGH hat entschieden, dass nationale Regelungen, die Unionsbürgen zum Mitführen eines Ausweisdokuments verpflichten, nicht gegen das Recht auf Freizügigkeit verstoßen.

In dem zugrundeliegenden Fall reiste ein finnischer Staatsangehöriger an Bord eines Vergnügungsboots von Finnland nach Estland und zurück. Abfahrts- und Rückkehrort dieser Reise lagen in Finnland. Während der Reise durchquerte er die internationalen Gewässer zwischen diesen beiden Mitgliedstaaten. Der Betroffene führte während dieser Reise seinen finnischen Pass nicht mit sich. Anlässlich einer Grenzkontrolle bei seiner Rückkehr in Helsinki konnte die Identität des Reisenden nur anhand seines Führerscheins festgestellt werden.

Ein finnisches Gericht verurteilte den Reisenden wegen einer Straftat, weil er die finnische Staatsgrenze überschritten hatte, ohne ein gültiges Reisedokument mitzuführen. Die Tatsache, dass der Betroffene Inhaber eines gültigen Passes war, hielt das Gericht für unerheblich.

Der im weiteren Instanzenzug mit der Sache befasste finnische Gerichtshof hatte Zweifel, ob eine innerstaatliche Regelung, die eine Person unter Strafandrohung dazu verpflichtet, bei Reisen zwischen zwei Mitgliedstaaten einen Pass oder ein anderes Reisedokument mit sich zu führen, gegen das Recht auf Freizügigkeit (Art. 21 Abs. 1 AEUV) verstößt und legte diese Frage dem EuGH vor.

Der EuGH hat entschieden, dass ein Mitgliedstaat das Recht auf Freizügigkeit nicht verletzt, wenn er seine Staatsbürger verpflichtet, ihren Personalausweis oder Reisepass mit sich zu führen, wenn sie ihren Mitgliedstaat verlassen, um in einen anderen Mitgliedstaat zu reisen. Eine solche Verpflichtung gewährleiste, dass die Staatsangehörigen in der Lage seien, ihre Identität, ihre Staatsangehörigkeit und damit ihren Unionsbürgerstatus nachzuweisen. Eine solche Regelung dürfe auch eine Strafandrohung vorsehen, sofern die Modalitäten dieser Sanktion mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, einschließlich der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung, vereinbar seien.

Mit einer solchen Regelung erfüllt ein Mitgliedstaat die formale Voraussetzung, die mit der Wahrnehmung des Rechts auf Freizügigkeit verbunden ist und sich aus Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 ergibt. Die Richtlinie regelt die Bedingungen, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten genießen. Eine nationale Vorschrift, die voraussetzt, dass Unionsbürger ihr Ausweisdokument bei Reisen innerhalb von Mitgliedstaaten mit sich führen, dient daher der Umsetzung von EU-Recht.

Auch eine nationale Regelung, mit der ein Mitgliedstaat seine Staatsangehörigen unter Androhung strafrechtlicher Sanktionen verpflichtet, einen gültigen Personalausweis oder Reisepass mit sich zu führen, wenn sie aus einem anderen Mitgliedstaat in den „eigenen“ Mitgliedstaat einreisen, verstößt laut EuGH nicht gegen das in Art. 21 Abs. 1 AEUV vorgesehene Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit, sofern eine solche Verpflichtung keine Bedingung für das Recht auf Einreise sei. Auch die Missachtung einer solchen Pflicht darf nach Auffassung des EuGH angemessen sanktioniert werden.

In Deutschland enthält das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz /EU) Regelungen zur Ausweispflicht. Nach § 8 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz /EU sind Unionsbürger verpflichtet, bei der Einreise in oder der Ausreise aus dem Bundesgebiet einen Pass mit sich zu führen und auf Verlangen eines zuständigen Beamten vorzuzeigen.

Vertiefend: EuGH, 06.10.2021 – C-35/20