07.10.2020 10:04 Alter: 4 yrs
Kategorie: Zoll
Von: Rechtsanwalt Niklas Landmeyer

EuGH-Entscheidung: Beigestellte Software erhöht den Zollwert

Mit Urteil vom 10. September 2020 entschied der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in der Vorlagesache C-509/19, dass Art. 71 Abs. 1 Buchst. b) UZK dahin auszulegen ist, dass er es erlaubt, bei der Ermittlung des Zollwerts einer eingeführten Ware ihrem Transaktionswert den wirtschaftlichen Wert einer Software hinzuzurechnen, die in der Europäischen Union erarbeitet und dem in einem Drittstaat ansässigen Verkäufer unentgeltlich vom Käufer zur Verfügung gestellt wird.

Ausweislich des Urteils hat sich der EuGH insofern nicht unserer Auffassung aus dem finanzgerichtlichen Verfahren und der aus dem Vorlagebeschluss hervorgehenden Tendenz des Finanzgerichtes München angeschlossen.

Mit seiner Entscheidung statuiert der EuGH, dass auch immaterielle Teile unter Art. 71 Abs. 1 Buchst. b) Ziff. i) UZK zu fassen sein können. Er leitet diese Entscheidung insbesondere auch aus den unverbindlichen Ausführungen des Ausschusses für den Zollkodex, die sich weitestgehend auch in der Dienstvorschrift Zollwertrecht (Z 51 01) widerspiegeln, her. Demnach seien immaterielle Bestandteile ein integraler Bestandteil der Enderzeugnisse, da sie mit ihnen verbunden oder in ihnen enthalten sind und ihre Funktionsfähigkeit ermöglichen oder verbessern. Zudem fügen sie nach Auffassung des EuGH dort eine neue Funktionalität hinzu und tragen somit spürbar zum Wert der eingeführten Waren bei.

Die Achte Kammer des EuGH nimmt in seinem Urteil insofern in erheblichem Maße Bezug auf in der Vergangenheit bereits durch andere Stellen getätigte Auslegungen.

Das Urteil ist sehr knapp formuliert und lässt tiefergehende systematische Erwägungen auf dem Gebiet des Zollwertrechtes vor dem Hintergrund einer sich wandelnden, digitalen Welt vermissen.

Nach unserer Auffassung ist die Argumentation des EuGH in einzelnen Punkten nicht stichhaltig. Eines der zentralen Argumente des EuGH ist, dass Art. 71 Buchst. b) UZK von "folgenden Gegenständen und Leistungen" spricht und daher immaterielle Bestandteile offensichtlich hinzugerechnet werden müssten, da "Leistungen" ebenfalls immaterieller Natur sein können (Rz. 18).

Art. 71 Abs. 1 Buchst. b) UZK trifft diese Aussage für die Ziffern i) – iv), denen der Buchstabe b) übergeordnet ist. Dass immaterielle Bestandteile unter Ziff. iv) subsumierbar sind, ist jedoch unbestritten. Diese "systematische Auslegung" des Wortlautes des Buchstaben b) trifft aber keine Aussage darüber, ob immaterielle Güter auch unter der Ziff. i) subsumierbar sind.

Der EuGH formuliert im Ergebnis einen sehr vorsichtigen Tenor: Art. 71 Abs. 1 Buchst. b) UZK erlaubt es, bei der Ermittlung des Zollwerts einer eingeführten Ware ihrem Transaktionswert den wirtschaftlichen Wert einer Software hinzuzurechnen.

Leider wurden mit der Entscheidung nicht die aufgeworfenen Fragen hinsichtlich der Ungleichbehandlung von Software und haptischen Teilen im Rahmen von Veredlungsverfahren behandelt.

Für das Ausgangsverfahren ergeben sich nun weitere Fragen hinsichtlich des Art. 71 Abs. 1 Buchst. b) Ziff. iv) UZK. Etwa, ob die Software, die auf den Steuergeräten im Drittland installiert wird und deren Funktionsfähigkeit noch im Drittland getestet wird, zum Herstellungsprozess der eigentlichen Steuergeräte verwendet wird und insofern zur Herstellung dieser fertigen Geräte notwendig ist i.S.d. Art. 71 Abs. 1 Buchst. b) Ziff. iv) UZK.