18.05.2020 12:25 Alter: 4 yrs
Kategorie: Zoll
Von: Rechtsanwältin Almuth Barkam

EuGH-Vorlage: Übertragbarkeit der Regelung des Art. 87 Abs. 4 UZK auf die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer

Das Finanzgericht Düsseldorf hat in einem Verfahren, in dem es um die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer in Deutschland geht, dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Regelung zum Ort der Zollschuldentstehung nach Art. 87 Abs. 4 UZK auf die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer entsprechende Anwendung findet (Beschluss vom 11.12.2019 - 4 K 473/19 Z EU; Akz. EuGH: C-7/20).

Dem Verfahren liegt der Fall zugrunde, dass der in Deutschland ansässige Kläger seinen Pkw mit amtlichen türkischen Kennzeichen aus der Türkei über Bulgarien und verschiedene andere europäische Mitgliedstaaten nach Deutschland verbrachte, ohne ihn bei einer Einfuhrzollstelle zu gestellen. Die Einfuhr des Pkw wurde im Rahmen einer Polizeikontrolle in Deutschland festgestellt. Fünf Monate später überführte der Kläger den Pkw wieder in die Türkei und verkaufte ihn dort. Das beklagte Hauptzollamt setzte gegen den Kläger Zoll i.H.v. 1.589,- € und Einfuhrumsatzsteuer i.H.v. 3.321,01 € fest.  

Nach Ansicht des Klägers liegt keine abgabenpflichtige Einfuhr vor, denn er habe den Pkw konkludent in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung überführt. Das beklagte Hauptzollamt vertritt die Auffassung, dass wegen des vorschriftswidrigen Verbringens des Pkw eine Einfuhrzollschuld nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. a) UZK entstanden ist. Nach Art. 87 Abs. 4 UZK sei es für die Festsetzung der Einfuhrabgaben zuständig gewesen, die Norm finde gemäß § 21 Abs. 2 UStG auf die Entstehung der Einfuhrabgaben entsprechende Anwendung.

Das Finanzgericht Düsseldorf sah die Zollschuld als nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. a) UZK entstanden und den Kläger als Zollschuldner nach Art. 79 Abs. 3 Buchst. a) UZK an, denn der Kläger habe seine Verpflichtungen, die Ware zur Zollstelle zu befördern (Art. 135 Abs. 1 UZK) und zu gestellen (Art. 139 Abs. 1 UZK), nicht erfüllt. Aus Art. 250 Abs. 2 Buchst. c) UZK ergebe sich, dass eine vorübergehende Verwendung nur zulässig sei, wenn der Inhaber des Zollverfahrens außerhalb des Zollgebiets der Union ansässig sei, eine Ausnahmeregelung sei nicht erfüllt.

Die Zollschuld galt nach Art. 87 Abs. 4 UZK als in Deutschland entstanden, weil die Zollbehörden in Deutschland festgestellt hatten, dass die Zollschuld in einem anderen Mitgliedstaat entstanden war und der dieser Schuld entsprechende Abgabenbetrag weniger als 10.000,- € betrug.

Das FG Düsseldorf sah es für die Entscheidung des Rechtsstreits jedoch als klärungsbedürftig an, ob in entsprechender Anwendung (§ 21 Abs. 2 UStG) der Regelung des Art. 87 Abs. 4 UZK auch die Mehrwertsteuer für die Einfuhr als in Deutschland entstanden galt, obwohl die Einfuhr in das Zollgebiet der Union in Bulgarien erfolgte. Wäre die deutsche Zollverwaltung für die Festsetzung der Mehrwertsteuer nicht zuständig, wäre der Klage in diesem Punkt stattzugeben.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ergebe sich aus Art. 71 Abs. 1 UAbs. 2 MwStSystRL bei der Einfuhr eine enge Verknüpfung des Rechts der Umsatzsteuer mit dem Zollrecht, die durch § 21 Abs. 2 UStG in das nationale Recht umgesetzt worden sei. Für die dem Art. 87 Abs. 4 UZK entsprechende Vorgängerregelung, Art. 215 Abs. 4 ZK, sei daraus die sinngemäße Anwendung bei der Bestimmung der Zuständigkeit für die Erhebung der Mehrwertsteuer zu folgern (BFH, 06.05.2008 - VII R 30/07). Der Senat hat jedoch Zweifel an dieser Auslegung der MwStSystRL, weil Art. 70 und 71 MwStSystRL nur den Zeitpunkt der Erhebung der Steuer bei der Einfuhr und nicht auch den Ort der Einfuhr ( Art. 60 und Art. 61 MwStSystRL) regelten. Aus Art. 21 Abs. 2 UStG als einzelstaatlicher Vorschrift dürfe keine von dem Unionsrecht abweichende Bestimmung über den Ort der Einfuhr bzw. über die Zuständigkeit der Behörden für die Festsetzung der Mehrwertsteuer hergeleitet werden. 


Fazit:
Die Rechtsprechung des EuGH hat sich in jüngster Zeit dahingehend entwickelt, dass eine Zollschuldentstehung nicht automatisch zur Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer führt (EuGH v. 02.06.2016 – C-226/14 „Eurogate“ und 228/14 „DHL hub Leipzig“). Nunmehr muss der EuGH über die getrennte Betrachtung von Zollschuld- und Einfuhrumsatzsteuerentstehung im Hinblick auf den Ort der Zollschuldentstehung entscheiden. Das aktuelle Vorlageverfahren zeigt, dass dieses Thema weiterhin in Bewegung ist und sich insbesondere in besonderen Fallkonstellationen Ansatzpunkte ergeben können, den Gleichlauf von Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerentstehung zu durchbrechen.