16.07.2021 10:36 Alter: 3 yrs
Kategorie: Zoll
Von: Rechtsanwältin Almuth Barkam

Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz)

Nachdem der Bundestag das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten – kurz: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – vor wenigen Wochen verabschiedet hat, hat in der vergangenen Woche, am 25.06., auch der Bundesrat das Gesetz durch Verzicht auf ein Vermittlungsverfahren gebilligt. Es muss jetzt noch vom Bundespräsidenten unterzeichnet und im Bundesgesetzblatt verkündet werden.

Das Gesetz verpflichtet in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Unternehmen ab einer bestimmten Größe, dafür zu sorgen, dass entlang ihrer Lieferketten Menschen- und Umweltrechte eingehalten werden. Das Gesetz enthält ein Bündel an Compliance-Maßnahmen, die von den Unternehmen einzuhalten sind. Vieles davon ist Unternehmen, die im Zoll- und Außenwirtschaftsrecht tätig sind, längst bekannt.

Welche Unternehmen sind betroffen?

Das Gesetz gilt

    ab dem 01.01.2023 für Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitern  
    ab dem 01.01.2024 für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern

Es geht um Unternehmen, die ihre Hauptverwaltung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz in Deutschland haben, wobei ins Ausland entsandte Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind. Gleichfalls erfasst sind ausländische Unternehmen, die im Inland eine Zweigniederlassung i.S.d. § 13d HGB haben, wenn diese die genannten Schwellenwerte erreichen.

Worum geht es überhaupt?

Die betroffenen Unternehmen werden verpflichtet, in ihren Lieferketten die im Gesetz festgelegten Sorgfaltspflichten zu beachten, um menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken vorzubeugen oder diese zu minimieren oder eine Verletzung menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten zu beenden – sollte eine solche bereits eingetreten sein (§ 3).

Was bedeutet dies Verpflichtung konkret?

Die beschriebene Verpflichtung, die Kern der gesetzlichen Regelung ist, steckt ein hohes – auf den ersten Blick kaum erreichbares – Ziel: Unternehmen sollen menschenrechtlichen Risiken vorbeugen!

Sollen Unternehmen hier eine Aufgabe übernehmen, die selbst auf höchster politischer Ebene nicht erreicht werden kann? Die Frage wird sich manchem betroffenen Unternehmer stellen und sie wurde auch im Gesetzgebungsverfahren diskutiert.

Wie so oft in der Juristerei sorgt ein Blick ins Gesetz für Klarheit und nimmt dem Gesetz ein wenig den Schrecken:

Das Gesetz bezieht sich auf internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte und definiert in § 2, was unter einem menschenrechtlichen Risiko zu verstehen ist. Es soll verhindert werden, dass gegen verschiedene Verbote verstoßen wird, die in § 2 aufgelistet werden: Verbot

  •     der schlimmsten Formen der Kinderarbeit,
  •     der Beschäftigung von Personen in Zwangsarbeit,
  •     der Missachtung geltender Pflichten des Arbeitsschutzes,
  •     der Missachtung der Koalitionsfreiheit
  •     etc.


Aus einem objektiven Blickwinkel dürften die beschriebenen Risiken, denen vorgebeugt werden soll, eine Selbstverständlichkeit darstellen. Gleiches gilt für die umweltbezogenen Risiken, die in § 2 Abs. 3 aufgeführt werden.

Diese Risiken sind bezogen auf die gesamte Lieferkette zu beachten, d. h. bezogen auf alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens, angefangen von der Gewinnung der Rohstoffe bis zu der Lieferung an den Endkunden und umfasst

  1.       das Handeln im eigenen Geschäftsbereich
  2.       das Handeln eines unmittelbaren Zulieferers und
  3.       das Handeln eines mittelbaren Zulieferers.


Es geht dabei immer um ein angemessenes Handeln, das sich nach der

  •     Art und dem Umfang der Geschäftstätigkeit,
  •     dem Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher der Verletzung,     
  •     der zu erwartenden Schwere der Verletzung sowie     
  •     nach der Art des Verursachungsbeitrags


richtet.

Was den mittelbaren Zulieferer betriff, muss eine "substantiierte Kenntnis" vorliegen, d. h., es müssen Anhaltspunkte vorliegen, die eine Verletzung einer menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflicht beim mittelbaren Zulieferer möglich erscheinen lassen.

Ein Streitpunkt im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens war die Frage der zivilrechtlichen Haftung. Am Ende wurde in § 3 ein Absatz 3 aufgenommen, der klarstellt, dass eine Verletzung der Pflichten aus dem Gesetz keine zivilrechtliche Haftung begründet, eine unabhängig von diesem Gesetzt begründete zivilrechtliche Haftung aber unberührt bleibt. Betroffene, die eine Verletzung geschützter Rechte geltend machen wollen, können einer inländischen Gewerkschaft oder Nichtregierungsorganisation die Ermächtigung zu Prozessführung erteilen (Prozessstandschaft, § 11). Die zumeist ausländischen Betroffenen müssen somit nicht selbst ein gerichtliches Verfahren führen, sondern können dies an die genannten Organisationen übertragen.

Welche Sorgfaltspflichten sind zu beachten?

Um diese Ziele zu erreichen, gibt das Gesetz den Unternehmen Hilfestellungen an die Hand, indem es die Sorgfaltspflichten konkret benennt und beschreibt, was es im Hinblick auf die einzelnen Sorgfaltspflichten erwartet:

  •     Einrichtung eines Risikomanagements (§ 4 Abs. 1)
  •     Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit (§ 4 Abs. 3)
  •     Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen (§ 5)       
  •     Grundsatzerklärung über Menschenrechtsstrategie (§ 6 Abs. 2)      
  •     Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich (§ 6 Abs. 1 und 3) und gegenüber unmittelbaren Zulieferern (§ 6 Abs. 4)      
  •     Ergreifen von Abhilfemaßnahmen (§ 7 Absätze 1 bis 3)
  •     Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens (§ 8)
  •     Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei mittelbaren  Zulieferern (§ 9)     
  •     Dokumentation (§ 10 Abs. 1) und        
  •     Berichterstattung  (§ 10 Abs. 2)


Fazit

Um eine Antwort zu geben auf die etwas provokant aufgeworfene Frage, ob die Unternehmen verpflichtet werden, eine Aufgabe zu übernehmen, die die Politik nicht leisten kann: Unseres Erachtens ist dies nicht der Fall. Das Gesetz legt Anforderungen an ein verantwortliches Management von Lieferketten fest. Es legt den Unternehmen Compliance-Maßnahmen auf, die in anderen Unternehmensbereichen – wie im Zoll- und Außenwirtschaftsrecht – längst bekannt sind.  In der Gesetzesbegründung wird klargestellt, dass es bei allen Maßnahmen um eine Bemühenspflicht geht, aber weder um eine Erfolgspflicht noch um eine Garantiehaftung.

Klar ist: Gehandelt werden muss jetzt!

Betroffene Unternehmen müssen bereits jetzt die organisatorischen und strukturellen Voraussetzungen schaffen, damit die Sorgfaltspflichten ab 2023 erfüllt werden können: Benennung von Beauftragten, Schulungen von Mitarbeitern, Einrichten von Prozessen und deren Beschreibung in Arbeits- und Organisationsanweisungen etc.

Wenn Sie Fragen haben, wie Sie Ihr Unternehmen auf die Anforderungen nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vorbereiten sollten, sprechen Sie uns gerne an.

Wir haben dieses Thema auch in unserer aktuellen Folge des Podcasts "Schlagbaum" (Folge 3) diskutiert. Wenn Sie Interesse haben, das Thema zu vertiefen, hören Sie gerne einmal rein!