Dem Fall lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Beklagte, ein Produzent von Kulturchampignons, die Pilze in den Niederlanden züchtete und erst kurz vor der Ernte nach Deutschland transportierte. Die erste Ernte in Deutschland erfolgte nach 1-5 Tagen, die zweite Ernte nach 10-15 Tagen. Auf der Verkaufsverpackung wurde als Ursprungsland „Deutschland“ angegeben. Die „Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs“ (Klägerin) hielt diese Herkunftsbezeichnung für irreführend, da wesentliche Produktionsschritte außerhalb Deutschlands erfolgten und hatte die Beklagte bereits im Dezember 2013 vorgerichtlich abgemahnt. Nach den Regelungen über die Vermarktung von Erzeugnissen des Obst- und Gemüsesektors dürfen entsprechende Erzeugnisse, die frisch an den Verbraucher verkauft werden sollen, nur in Verkehr gebracht werden, wenn das Ursprungsland angegeben ist (Art. 76 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1308/2013).
Der BGH hat das Verfahren zwischenzeitlich ausgesetzt und dem EuGH verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die der Gerichtshof mit Urteil vom 04.09.2019 (Rs. C-686/17, Wettbewerbszentrale/Prime Champ) beantwortete:
Der BGH hat sich der Auffassung des EuGH angeschlossen. Er gestand zwar zu, dass die Ursprungslandangabe „Deutschland“ eine Irreführung hervorrufe, weil der angesprochene Verkehr ihr entnehme, dass nicht nur die Ernte, sondern der gesamte Produktionsprozess in Deutschland stattgefunden habe, jedoch sei das kennzeichnungsrechtliche Irreführungsverbot (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Buchst. a) LMIV) auf Pflichtangaben wie in diesem Fall nicht anwendbar.
Aus den zollrechtlichen Regelungen ergibt sich, dass nach Art. 60 Abs. 1 UZK Waren, die in einem einzigen Land oder Gebiet vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind, als Ursprungswaren dieses Landes oder Gebiets gelten. Nach Art. 31 Buchst. b) UZK-DelVO gelten im Sinne des Art. 60 Abs. 1 UZK als Waren, die in einem einzigen Land oder Gebiet vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind, dort geerntete pflanzliche Erzeugnisse. Ursprungsland im Sinne dieser Vorschriften ist damit das Ernteland der Kulturchampignons.
Da die Ursprungslandangabe den unionsrechtlichen Kennzeichnungsvorschriften entspreche, scheide nach Auffassung des Gerichts die Annahme eines Verstoßes gegen das Irreführungsverbot aus, auch wenn relevante Teile des Verkehrs die verwendete Bezeichnung falsch verstehen würden. Das Kennzeichnungsrecht genieße in einem solchen Fall Normvorrang.
Fazit:
Die Frage der Kennzeichnung von Waren mit ihrem Herkunfts- bzw. Ursprungsland führt immer wieder zu Problemen, weil hier genaue Unterscheidungen vorzunehmen sind: Betrifft die Frage der Ursprungsangabe den nichtpräferenziellen Ursprung nach den zollrechtlichen Regelungen oder geht es um den wettbewerbsrechtlichen Ursprung (sog. „Made in“-Ursprung)? Werden Waren mit „Made in“-Kennzeichnung ins Drittland ausgeführt, ist zudem die Rechtsauffassung und Anerkennung entsprechender Kennzeichnungen im Drittland von Bedeutung. Wenn Sie Fragen zu dieser Thematik haben, sprechen Sie uns gerne an!
Verfasserin: Almuth Barkam, Rechtsanwältin