05.11.2020 16:44 Alter: 3 yrs
Kategorie: Zoll
Von: Rechtsanwalt Heiko Panke

Und wieder einmal: Zinsen im Zollrecht

Das Finanzgericht Düsseldorf hat in einem Urteil vom 22. Juli 2020 – 4 K 1163/18 Z entschieden, dass für erstattete Einfuhrzölle Zinsen nach § 238 der Abgabenordnung (AO) jeweils für die Zeit von der Zahlung der Einfuhrzölle bis zu ihrer Erstattung vom Hauptzollamt zu entrichten sind.

Im zu entscheidenden Fall führte die Klägerin im Jahr 2013 Ware in die EU ein und erwirkte zwei verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA), gegen die sie sich aber zur Wehr setzte, da sie die Einreihung des Hauptzollamts für unzutreffend hielt. Die Zollanmeldungen gab sie trotzdem weiterhin mit der in den vZTAs angegebenen Zolltarifnummer an. Im Rahmen der Zollabfertigung wurden die Anmeldungen nicht weiter geprüft.

Das Hauptzollamt erklärte im Laufe des Einspruchsverfahrens gegen die beiden vZTA’s, dass sie aufgrund der aktuellen Änderung des Zolltarifs, die Einspruchsverfahren nicht weiterverfolgen würde und sich die Einsprüche damit erledigt hätten. Kurze Zeit später beantragte die Klägerin die Erstattung von Einfuhrabgaben nach Artikel 236 Abs. 1 des Zollkodex (ZK) mit der Begründung, dass die Waren anders einzureihen seien. Das beklagte Hauptzollamt folgte dieser Auffassung und erstattete innerhalb von drei Monaten die Einfuhrzölle.

Danach beantragte die Klägerin die Festsetzung von Erstattungszinsen, was das beklagte Hauptzollamt ablehnte. Das Hauptzollamt wies den dagegen eingelegten Einspruch als unbegründet zurück und führte aus, dass kein Fall des Artikel 241 Satz 2 ZK vorliege, da die Erstattung innerhalb von drei Monaten vollzogen worden sei und keine einzelstaatliche Bestimmung zur Zinszahlung greife. Es sei Artikel 241 Satz 1 ZK anzuwenden, denn die Klägerin sei nicht gezwungen gewesen, die Waren unter der unzutreffenden Codenummer anzumelden, da sie Einsprüche gegen die verbindlichen Zolltarifauskünfte eingelegt habe. Sie könne sich insofern nicht auf Vertrauensschutz berufen. Weiterhin seien die Einfuhrabgaben auch nicht unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben worden, da Artikel 71 Abs. 2 ZK ausdrücklich vorsehe, dass die in der Zollanmeldung enthaltenden Angaben der Abgabenfestsetzung zugrunde zu legen seien, wenn keine Prüfung stattgefunden habe.

Die Klägerin trug in dem Verfahren vor, dass sie die Waren mit der Codenummer habe anmelden müssen, da sie sich aus den verbindlichen Zolltarifauskünften ergeben habe. Wäre sie davon abgewichen, hätte sie Konsequenzen befürchten müssen, da beispielsweise in der Literatur die Auffassung vertreten werde, dass die Nichtvorlage einer ungünstigen verbindlichen Zolltarifauskunft eine strafrechtlich relevante Falschanmeldung darstellen könne. Zudem hätte eine Nacherhebung gedroht, da für sie ein Irrtum der Zollstelle die von der verbindlichen Zolltarifauskunft abgewichen wäre, erkennbar gewesen wäre. Die Nutzung der falschen Codenummer beruhe damit im Ergebnis auf den fehlerhaften und rechtswidrigen vZTA‘s des entsprechenden Hauptzollamts.

Sie verwies zur Begründung auch auf die Rechtssache Littlewoods Ltd. des EuGH’s (Rs. C- 591/10), wonach in beiden Fällen die Grundlage der Verzinsung nicht die Nichtigkeit einer EU-Verordnung gewesen sei, sondern die falsche Anwendung des EU-Rechts durch die Behörden der Mitgliedstaaten, hier also durch das Hauptzollamt.

Der Verzinsung stünde auch nicht Artikel 241 Satz 1 ZK entgegen, denn unter Berücksichtigung des Urteils in der Rechtssache Wortmann (Rs. C-365/15) seien davon nur Fälle erfasst, in denen aufgrund von Fehlern, die der Schnelligkeit des in vielen Fällen angewandten Zollabfertigungssystems ohne Begutachtung der Ware vor jeder Überlassung geschuldet seien, zu viel gezahlte Einfuhrabgaben erstattet würden. Eine Verzinsungspflicht der Zahlung der Abgaben bestünde aber in allen Fällen, in den die Ursache der Unionsrechtswidrigkeit nicht in der raschen Zollabfertigung liege, sondern den Zollbehörden hinreichend Zeit für die Prüfung des Sachverhalts geblieben sei. Im vorliegenden Fall liege ein solcher Fall vor, da das beklagte Hauptzollamt ausreichend Zeit für eingehende Untersuchungen der Waren gehabt habe, bevor es verbindliche Zolltarifauskünfte erlassen hatte.

Das Finanzgericht Düsseldorf gab der Klägerin Recht und sprach ihr den begehrten Verzinsungsanspruch zu.

Das Finanzgericht legte zunächst den Antrag der Klägerin dahingehend aus, dass eine Verpflichtung des Beklagten zur Festsetzung von Zinsen (§ 239 Abs.1 AO) begehrt werde. Es werde eine Verzinsung jeweils für die Zeit von der Zahlung bis zur Erstattung der Höhe des gesetzlichen Zinssatzes (§ 238 AO) beantragt.

Das Finanzgericht sah auf den Streitfall die Vorschriften des ZK anwendbar, da es sich bei § 241 ZK bzw. Artikel 116 des Unionszollkodex (UZK) um materiell-rechtliche Vorschriften handele, wobei Artikel 116 UZK erst seit dem vollständigen In-Kraft-Treten des UZK, also für Zeiträume ab dem 01.05.2016, anwendbar sei. In Fällen, in denen die Zollschuld vor dem 01.05.2016 entstanden sei, gelten daher noch die materiell-rechtlichen Bestimmungen der Artikel 235 bis 242 des ZK fort.

Für das Finanzgericht ergab sich der Verzinsungsanspruch unmittelbar aus dem Unionsrecht. So habe nach der Rechtsprechung des EuGH’s der Einzelne, wenn ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts Abgaben erhoben hat, einen Anspruch auf Erstattung nicht nur der zu Unrecht erhobenen Abgaben, sondern auch der Beträge, die im unmittelbaren Zusammenhang mit diesen Abgaben an den Staat gezahlt oder von diesem einbehalten worden sind. Darunter fallen auch Einbußen, die aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Geldbeträgen entstehen.

Im vorliegenden Fall lag aus Sicht des Finanzgerichts ein Verstoß gegen das Unionsrecht in der Form vor, dass die Waren zunächst unzutreffend eingereiht worden seien und sich der auf Artikel 20 Abs. 1 ZK fußende Verstoß, nicht unter Hinweis auf die Vorschrift des Artikel 71 Abs. 2 ZK zurückweisen lasse. Aus dem Prozedere der Nichtprüfung der Zollanmeldung könne nicht gefolgert werden, dass die Festsetzung der Einfuhrabgaben nicht unter Verstoß gegen das Unionsrecht erfolgt seien, denn die Festsetzung der Einfuhrabgaben bliebe auch beim Vorgehen nach Artikel 71 Abs. 2 ZK materiell-rechtswidrig und wäre gegebenenfalls nach Artikel 78 ZK zu korrigieren, so das Finanzgericht.

Dem stünde auch Artikel 241 Satz 1 ZK nicht entgegen, wonach Erstattungen zwar nicht zu verzinsen seien, nach Ansicht des EuGH’s sei diese Vorschrift allerdings einschränkend auszulegen. Dies betreffe im Wesentlichen nur Fälle, aufgrund derer bei der raschen Zollabfertigung Fehler auftreten und später zum Vor- oder Nachteil des Abgabenpflichten beseitigt werden. Es folgerte für den vorliegenden Fall daraus, dass bei einer isolierten Betrachtung der Anmeldungen und der späteren Erstattungen (ohne die Berücksichtigung der verbindlichen Zolltarifauskünfte), die Voraussetzungen des Artikel 241 Satz 1 ZK zunächst erfüllt seien. Es habe sich um den Normalfall gehandelt, dass Angaben in der Anmeldung zunächst nicht weiter geprüft worden seien und erst später korrigiert wurden. Eine Erstattung wäre nach diesen Grundsätzen nicht zu verzinsen.

Dem stand allerdings entgegen, dass im entscheidenden Fall die verbindlichen Zolltarifauskünfte erteilte wurden und es sich nicht um eine gewöhnliche Situation gehandelt habe, in der eine Verzinsung ausgeschlossen wäre. Die Zollbehörden hätten nach Ansicht des Finanzgerichts die Ware eingehend geprüft und es wurde ein materiell-rechtlicher Fehler bei der Einreihung begangen. Dies unterscheidet sich von den Fällen, dass die Zollanmeldung von den Zollbehörden einfach übernommen und der dadurch verursachte Fehler des Anmelders nachträglich behoben werde. Demnach sei für die Frage der Verzinsung der Fehler der Zollbehörden bei der Einreihung im Rahmen der Auskunftsverfahren maßgeblich, da die fehlerhaften Anmeldungen erkennbar auf den unzutreffenden Zolltarifauskünften beruhten, auch wenn diese nach dem damals anzuwendenden Recht nur die Zollbehörden gebunden haben (Artikel 12 Abs. 2 ZK; seit Geltung des UZK allerdings anders in Artikel 33 Abs. 2 UZK). Die Klägerin habe Einsprüche gegen die Zolltarifauskünfte eingelegt und die unzutreffende Codenummer nur aufgrund der existierenden unzutreffenden Zolltarifauskünfte angegeben.

Als nicht entscheidend sah das Finanzgericht an, dass die Klägerin rechtlich nicht an die verbindlichen Zolltarifauskünfte gebunden war und somit die Waren rein hypothetisch auch unter der zutreffenden Codenummer hätte anmelden können, allerdings waren die von der Klägerin angeführten Gründe, warum sie die von ihr selbst für falsch angesehene Einreihung den Anmeldungen zugrunde gelegt habe, für den Senat des Finanzgerichts nachvollziehbar.

Mangels unionsrechtlicher Vorschriften richtete sich die Höhe und das Verfahren der Festsetzung der Zinsen nach den §§ 238 f. AO, wonach der Zinslauf mit der Entrichtung der Zölle begann und mit ihrer Erstattung endete.

Das Finanzgericht äußerte sich auch zur Verfassungsmäßigkeit hinsichtlich der Höhe des Zinssatzes gem. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO in Höhe von 0,5 Prozent pro Monat und war der Ansicht, dass ein zu hoher Zinssatz zu Gunsten des Abgabenpflichtigen weder das rechtsstaatliche Übermaßverbot noch den allgemeinen Gleichheitssatz berühre.

Da sich der Bundesfinanzhof bereits in der Vergangenheit der Rechtsprechung des EuGH’s zur Frage des unionsrechtlichen Verzinsungsanspruchs angeschlossen habe, sei die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich geklärt, weshalb dem Verfahren keine grundsätzliche Bedeutung, als Zulassungsgrund für eine Revision, zukam. Das Finanzgericht ließ die Revision daher nicht zu.