04.10.2018 08:09 Alter: 6 yrs
Kategorie: Steuern
Von: Julia Gnielinski

EuGH stärkt Verteidigerrechte

Der Zugang zu Akten von Finanzaufsichtsbehörden scheitert nun für Verteidigungszwecke nicht mehr am Berufsgeheimnis.

Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 13.09.2018 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV entschieden, dass die nationalen Finanzaufsichtsbehörden verpflichtet sein können zur Sicherstellung der Verteidigungsrechte oder für die Zwecke ihrer Verwendung im Rahmen von zivil- oder handelsrechtlichen Verfahren Zugang zu Informationen zu gewähren, die unter das Berufsgeheimnis der Behörden fallen.

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 54 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. 2004, L 145, S. 1) in Verbindung mit den Art. 41, 47 und 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

In diesem Fall geht es darum, dass der Cour administrative (Verwaltungsgerichtshof von Luxemburg) wissen möchte, ob die Commission de surveillance du secteur financier, die luxemburgische Aufsichtsbehörde für den Finanzsektor im Verfahren über die Vertrauenswürdigkeit und Abberufung die Übermittlung der vom Betroffenen beantragten Unterlagen aufgrund ihrer Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verweigern darf, da die Richtlinie 2004/39 / EG über Märkte für Finanzinstrumente vorsehe, dass in den Fällen, die unter das Strafrecht fallen damit zur Verteidigung dienen können, ausnahmsweise vom Berufsgeheimnis abgerückt werden darf. Der Beschwerdeführer befindet sich zwar nicht in einem klassischen strafrechtlichen Verfahren sondern in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren, sanktioniere aber in seinen Konsequenzen den Beschwerdeführer und falle so unter das Strafrecht im weiteren Sinne, wie es vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte definiert werde.

Der EuGH hat zunächst festgestellt, dass die Regelung in der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente, dass in den Fällen, die unter das Strafrecht fallen, ausnahmsweise von der Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses abgerückt werden kann, nur die Weiterleitung oder Verwendung vertraulicher Informationen zwecks strafrechtlicher Verfolgung an ein Gericht sowie die Verhängung strafrechtlicher Sanktionen betrifft.

Der EuGH hat dann geprüft, inwieweit diese Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses durch die Wahrung der in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Verteidigungsrechte eingeschränkt wird. Die  Weitergabe von Unterlagen, die für die Verteidigung erheblich sind, darf nicht unbegrenzt erfolgen, der Schutz der Vertraulichkeit der Informationen, die der den zuständigen Behörden obliegenden Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses unterliegen, müsse in einer Weise gewährleistet und durchgesetzt werden, die mit der Wahrung der Verteidigungsrechte vereinbar bleibt.

Damit sind die zuständigen Behörden und Gerichte gehalten, in jedem Einzelfall diese einander gegenüberstehenden Interessen gegeneinander abzuwägen. Soweit sich eine zuständige Behörde auf die in der Richtlinie vorgesehene Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses berufe, um die Weitergabe von in ihrem Besitz befindlichen Informationen zu verweigern, die nicht in der Akte zu der von einem sie beschwerenden Rechtsakt betroffenen Person enthalten seien, sei es daher Sache des zuständigen nationalen Gerichts, zu prüfen, ob diese Informationen einen objektiven Zusammenhang mit den gegen sie gerichteten Beschwerdepunkten aufwiesen und, sollte dies zu bejahen sein, die einander gegenüberstehenden Interessen gegeneinander abzuwägen, bevor es über die Übermittlung jeder einzelnen der beantragten Informationen entscheiden.

Diese Entscheidung bezieht sich auf einen luxemburgischen Sachverhalt, ähnliche Erwägungen fanden in einem italienischen Fall statt. Auch in deutschen Fällen kann die Herausgabe von Akten zu Verteidigungszwecken erheblich sein. Sollten Ihnen diese verweigert werden, unterstützen wir sie gerne mit ihrem Ansinnen.

Weitere Informationen finden Sie in der vorläufigen Fassung des Urteils, EuGH, vom 13.09.2018 – C-358/16.