10.03.2023 16:06 Alter: 1 year
Kategorie: Außenwirtschaft
Von: Rechtsanwältin Julia Gnielinski

Belgische und französische Rechtsanwälte klagen gegen Rechtsberatungsverbot aus dem achten Sanktionspaket gegen Russland

Das achte EU-Sanktionspaket enthält das Verbot der Rechtsberatung europaweit, direkte und mittelbare Rechtsberatungsdienstleistungen in nichtstreitigen Angelegenheiten für die Regierung Russlands, in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen.

Das Verbot ergibt sich aus Art. 5n Abs. 2 der Sanktionsverordnung 2022/1904 zur Änderung der VO 833/2014. Eine Ausnahme gilt nur für solche russische Unternehmen, die von der EU, der Schweiz, Norwegen, Großbritannien, Japan, Südkorea oder den USA kontrolliert werden, Art. 5n Abs. 7 VO 2022/1904. Die ausdrückliche Erstreckung auch auf die mittelbare Beratung verbietet eine „Um-die- Ecke-Beratung“, also die Beratung anderer Anwälte, die für russische Unternehmen tätig werden.

Belgische und französische Anwälte haben hiergegen bereits geklagt: Sie begründen ihre Klage damit, dass zunächst ein Verstoß gegen die Grundrechte auf Schutz des Privatlebens sowie auf Zugang von Gerichten, die in der Charta der Grundrechte der EU vorgesehen sind, vorliegt, da die allgemeine Regelung einen Eingriff in das Recht jedes Einzelnen, sich für eine Rechtsberatung an seinen Anwalt zu wenden, aber auch den Grundsatz des Berufsgeheimnisses und den Grundsatz der Unabhängigkeit des Rechtsanwaltes. Zudem sei es unverhältnismäßig, da die Einführung einer allgemeinen Regelung zu diesem Verbot nicht geeignet sei, die legitimen Ziele der Union im Rahmen dieses Konflikts zu erreichen und es auch weit über die Erforderlichkeit herausgehe. Zuletzt sind sie der Meinung, dass es ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit ist, da die eingeführte Regelung weder klar noch präzise sei und keine Vorhersehbarkeit hinsichtlich ihrer Anwendung biete.

Das Rechtsberatungsverbot ist auch in Deutschland auf enorme Kritik gestoßen, z.B. von der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und dem Deutschen Anwaltsverein (DAV).
Die BRAK sieht in dem Beratungsverbot einen Verstoß gegen die rechtsstaatlichen Grundsätze, weshalb es aus verfassungsrechtlichen Gründen in Deutschland nicht angewendet werden dürfe. Nach ihrer Auffassung steht das Verbot in klarem Widerspruch zur Berufsordnung für Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen. Zudem sieht § 3 Abs. 3 BRAO vor, dass jedermann das Recht hat, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen selbstgewählten Anwalt beraten und vor Gerichten vertreten zu lassen. Des Weiteren garantiert das deutsche Grundgesetz das Rechtsstaatsprinzip, welches das Recht umfasst, das jedermann, unabhängig von Religion, Nationalität oder politischen Ausrichtung von einem Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vertreten zu lassen. Auch die EU – Grundrechtecharta sieht vor, dass jede Person – ohne Einschränkungen – sich beraten, vertreten und verteidigen lassen kann.
Zudem kritisiert der DAV, dass die Entscheidung allein dem Anwalt obliege, ein Mandat anzunehmen oder abzulehnen. Der Zugang zum Recht müsse weiterhin für jedermann gewährleistet sein. (Siehe hierzu unseren Infoletter Oktober 2022)

Hinweisen möchten wir noch darauf, dass die Rechtsvertretung im gerichtlichen Verfahren wie auch im Verwaltungsverfahren weiterhin zulässig ist, ebenso dürfen russische Privatpersonen vertreten werden und wirtschaftlich tätige Einzelpersonen, soweit sie nicht selbst als Person gelistet sind. Auch eine vorgerichtliche Rechtsberatung in Bezug auf die Frage, ob man überhaupt Klagen sollte, also in streitigen Ansprüchen, bleibt weiterhin zulässig. Sprechen Sie uns gerne an.