07.03.2023 16:09 Alter: 1 year
Kategorie: Außenwirtschaft
Von: Rechtsanwalt Dr. Ulrich Möllenhoff

Das Spielen über Bande - die "Umgehung" der Embargoregelungen

Ein großes Problem im gesamten Umfeld des Embargos gegen Russland und Weißrussland angesichts der Destabilisierung der Ukraine ist die "Umgehung" der Verbote.

Die Standardkonstellation ist die Lieferung einer nach den Embargovorschriften verbotenen Ware in ein Land, von dem aus die Lieferung nach Russland oder Weißrussland erfolgt. Streng genommen handelt es sich hier gar nicht um eine "Umgehung", sondern um eine mittelbare Lieferung, da in beiden Embargoverordnungen die Verbote auf Verkauf, Lieferung, Verbringung oder Ausfuhr an Personen "in Russland oder zur Verwendung in Russland" lauten. Das bedeutet, auch die Lieferung an eine andere Destination (vor der Lieferung nach Russland) unterfällt bereits diesem Verbot, auch wenn die (Teil-)Lieferung nicht Russland zum Ziel hat.

Diese Situation bereitet vielen Unternehmen und den zuständigen Personen erhebliche Schwierigkeiten in der Praxis. Wie ist mit einer Lieferung in Nachbarstaaten von Russland zu verfahren, wie in Länder, die bekannt dafür sind, mit Russland Geschäfte zu machen?

Bereits im vergangenen Sommer hatte die EU-Kommission in einer "Mitteilung an Wirtschaftsakteure, Einführer und Ausführer" (2022/C 145 I/01) auf die Gefahren dieser "Umgehungen" hingewiesen. Bei Lieferungen an Mitglieder der Eurasischen Wirtschaftsunion oder anderen Ländern, bei denen eine leichte Umleitung möglich sei, müssten erhöhte Sorgfaltspflichten an den Tag gelegt werden. Es wurde empfohlen,
Bestimmungen in Einfuhr- und Ausfuhrverträge aufzunehmen, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Einhaltung einer solchen Bestimmung einen wesentlichen Vertragsbestandteil darstellt oder Vertragsklauseln aufzunehmen, mit denen der Einführer in einem Drittland verpflichtet wird, die Waren nicht nach Russland oder Weißrussland zu exportieren und nicht an Dritte ohne diese Verpflichtung weiterzugeben.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat in der vergangenen Woche ergänzend angekündigt, sich für gesetzliche Regelungen einzusetzen, nach denen "transparente Endverbleibserklärungen" im Rahmen von Ausfuhranmeldungen abzugeben seien. Das gelte für sanktionierte Güter, die für die russische Kriegsmaschinerie von Bedeutung sind, so ein Vorschlägepapier des Ministers. Zudem solle die Vorlage falscher Endverbleibspapiere eine Straftat darstellen. Daran werde man im 11. Sanktionspaket arbeiten. Bei aller Sorgfaltspflicht, die man in diesem Zusammenhang von Ausführern verlangen kann, so darf nicht vergessen werden, dass die dort bezeichneten "Umgehungen", isoliert betrachtet, zulässige Einzellieferungen darstellen, sofern der Ausführer davon ausgeht, dass das Ziel seiner Lieferung ein Drittstaat und eben nicht Russland oder Weißrussland ist. Die Länder, die in diesen Fällen beliefert werden, sind
Destinationen ohne Beschränkungen. Hier die Vorlage von Endverbleibsdokumenten zu verlangen, ist extrem schwierig, kommt diese Notwendigkeit doch einer Ausfuhrbeschränkung für Länder, die keinen Beschränkungen unterliegen, nahe.

Den Ausführern zeigt dies aber die Verwaltungspraxis: Es ist zukünftig von intensiven Kontrollen auszugehen. Dagegen zumindest wird man nichts einwenden können, solange der zulässige Export möglich und eine Rechtssicherheit für die beteiligten Unternehmen erhalten bleibt.

Den betroffenen Unternehmen sei der Rat gegeben, sich zur eigenen Zufriedenheit davon zu überzeugen, dass die Ware, die nicht nach Russland gelangen darf, dort auch nicht hingeliefert wird. Ob diese eigene Zufriedenheit mit formalen Endverbleibserklärungen erzeugt wird, die der Empfänger im Drittland auszufüllen hat, mag dahinstehen. Das kann sein, das kann aber auch nicht sein, zumindest dann nicht, wenn die Abgabe einer Endverbleibserklärung eine reine Formsache ist. Zu empfehlen ist, hier im Einzelfall, soweit praktikabel, sich durch Nachfragen beim Kunden zu vergewissern, dass Ware nicht nach Russland gelangt. Schriftliche Hinweise erscheinen hilfreich. Bei Auffälligkeiten sollten sinnvolle Erklärungen beigebracht werden.

Im übrigen gilt jedoch, dass der Export nach Russland und Weißrussland beschränkt ist, nicht jedoch der Export in Nachbarländer. Man kann dann nur an die Verantwortung der Unternehmen appellieren.