07.03.2022 09:50 Alter: 2 yrs
Kategorie: Außenwirtschaft
Von: Rechtsanwalt Dr. Ulrich Möllenhoff

EU-Russland Embargo - Auswirkungen auf die Logistikbranche

Aufgrund der zahlreichen Sanktionsmaßnahmen stellt sich auch die Frage, in welchem Maß die Logistikbranche davon betroffen ist. Festzustellen ist, dass die Branche in den Verordnungen nicht ausdrücklich erwähnt wird.

In der Vergangenheit war es auch immer Usus, dass Logistiker grundsätzlich nicht verpflichtet waren, zu prüfen, inwieweit ihre Kunden durch die Versendung der Ware gegen die Regeln der Exportkontrolle verstoßen haben. Es gab keine gesonderte Prüfpflicht. Lediglich bei Kenntnis von Rechtsverstößen oder bei konkreten Anhaltspunkten, dass der Kunde gegen die Regeln verstößt, durften Logistikunternehmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter naturgemäß nicht mitwirken. Diese Sichtweise hatte nicht nur ihren Grund darin, dass die Logistiker nicht im Kundenauftrag die Vereinbarkeit mit exportkontrollrechtlichen Regeln prüfen konnten, sondern auch nicht durften. Exportkontrollberatung ist Rechtsberatung. Logistikern ist lediglich die Hilfe in Steuersachen im Rahmen des grenzüberschreitenden Warenverkehrs erlaubt.

Sinnvoll kann gleichwohl sein, Kunden auf die besondere sanktionsrechtliche Situation
aufmerksam zu machen und sich ggf. bestätigen zu lassen, dass die Kunden die sie
betreffenden Regeln geprüft haben. Dafür haben wir in der Vergangenheit Formulare
entworfen. Dieses Vorgehen stellt zwar keine eigene Beratung durch den Logistiker
dar, führt jedoch im Falle eines Gesetzesverstoßes mindestens zu einer
Schadensersatz- oder Freistellungspflicht im Innenverhältnis zum Kunden.
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Was allerdings immer schon für Logistiker galt, waren die Bereitstellungsverbote. Hier
war und ist es verboten, dass Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen, zu denen Fracht
zweifellos gehört, an gelistete Personen, Organisationen oder Einrichtungen geliefert
wurde. Insofern galt und gilt das Erfordernis eines Sanktionslistenscreenings im
eigenen Interesse.

Bereits im Zuge der Diskussionen um den Begriff des Ausführers im Rahmen der
Novellierung der Dual-Use-Verordnung wurden Bestrebungen laut, auch die Logistiker
zu Ausführern im außenwirtschaftsrechtlichen Sinne zu machen. Das hätte zur Folge,
dass Logistiker auch aus eigener Rechtspflicht in außenwirtschaftsrechtliche
Prüfungen einsteigen sollten. Dazu ist es - außer in bestimmten Konstellationen, wie
z.B. bei der Durchfuhr - letztlich nicht gekommen.

Im Rahmen der veränderten europäischen Russland-Sanktionsverordnung, VO
833/2014
, stellt sich nun für viele Logistiker erneut die Frage nach eigenen
Prüfpflichten. Rechtlich festmachen könnte man dies möglicherweise an dem Begriff
der "Lieferung" oder an einer sehr weiten Auslegung des neuen Art. 2 Abs. 2 (a). Dort
werden "sonstige Dienste" im Verhältnis zu gelisteten Gütern verboten. Sicher sind
Logistikdienstleistungen "Lieferungen" oder auch "Dienstleistungen". Wenn man diese
Norm also streng auslegt, wird man nicht bestreiten können, dass mit sonstigen
Diensten auch Logistikdienstleistungen gemeint sein könnten. Dann würde die
Logistikdienstleistung mit einem eigenen Verbot bei Bezug zu gelisteten Waren belegt,
was dazu führt, dass Logistiker aus einem eigenen an sie gerichteten Verbot heraus
verpflichtet sind, mit der Folge, dass sie eigenverantwortlich prüfen müssen, ob die zu
liefernde Ware nach dem Russlandembargo gelistet bzw. ansonsten alle Vorgaben
nach dem Russland-Embargo eingehalten sind. Diese Verpflichtung beträfe die
Logistiker dann zusätzlich zu der Pflicht der Kunden.

Sollte man das Ergebnis so annehmen, würde überraschen, dass eine solch
umfassende und massive Konsequenz nebst einem Paradigmenwechsel in der Rolle
der Logistiker nur quasi am Rande durch Auslegung eingeführt werden sollte. Insofern
kann aus guten Gründen auch bezweifelt werden, dass eine solche eigene
Verpflichtung hier gemeint ist. Gesetzestechnisch hätte man eine eigene Erwähnung
der Logistik-Branche im Gesetzestext erwartet, wenn dies gewollt gewesen wäre.

Ich habe deswegen eine Nachfrage zur Klärung an die EU-Kommission und das
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gerichtet, die bisher nicht beantwortet
wurde. Von der EU-Kommission habe ich jedoch heute eine Rückmeldung dergestalt,
dass man an einer Auslegungsleitlinie für die Sanktionsverordnungen arbeitet. Im
übrigen seien jedoch die Behörden der Mitgliedstaaten für die Auslegung zuständig.
Gleichermaßen erhielt ich heute eine Rückmeldung aus dem Bundesamt für Wirtschaft
und Ausfuhrkontrolle. Diese Frage gilt es noch abzustimmen und für die betroffenen
Unternehmen zu klären.

Bis zu einer Klärung können wir daher nur empfehlen, sich auf eine strenge - und damit
weite - Auslegung zu stützen und zumindest in den nächsten Tagen
Logistikdienstleistungen als unter das Russlandembargo fallend anzusehen. Dies hat
zur Konsequenz, dass Logistiker zu prüfen verpflichtet sind, ob der Ausfuhrvorgang
gegen die Regeln des Russlandembargos verstößt, um sich nicht einem
strafrechtlichen Vorwurf auszusetzen. Gegebenenfalls könnte möglich sein, sich auf die
Bestätigung durch den Kunden bzw. durch die zuständige Behörde zu verlassen, dass
bestimmte Vorgänge erlaubt sind.

Weitere Details zu den EU-Russland Sanktionen erläutern wir in unserem Infoletter März.

Zur Thematik der aktuellen Sanktionen gegen Russland werde ich am 09.03. und am 17.03.2022 ein Webinar bei der Reguvis Akademie halten, zu dem Sie sich hier anmelden können.