07.03.2022 08:38 Alter: 2 yrs
Kategorie: Außenwirtschaft
Von: Rechtsanwältin Julia Gnielinski, Rechtsanwalt Dr. Ulrich Möllenhoff

EU-Russland Embargo - Personensanktionen, Prüfpflichten und Umsetzung von unmittelbaren und mittelbaren Bereitstellungsverboten

Als Reaktion auf die fortgesetzten Angriffe der russischen Streitkräfte auf die Ukraine hat die EU seit dem 23.02.2022 ihre Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Russland auch im Hinblick auf Listungen von Personen, Organisationen und Einrichtungen schrittweise erweitert.

Bereits seit 2014 existieren solche Regelungen und bestehen im Wesentlichen aus zwei Grundverordnungen, für sektorale Maßnahmen (VO 833/2014)  und für Personenlistungen (VO 269/2014) mit Änderungs- und Durchführungsverordnungen.

Die neuen EU-Personenlistungen sind den Anhängen der Durchführungsverordnungen (EU), 2022/259, 2022/260, 2022/261, 2022/330, 2022/332 und 2022/336 zu entnehmen, die ihrerseits wieder die Grundverordnungen verändern. Zusätzlich werden in der VO 2022/353 sowie in der VO 2022/300 auch in diesem Zusammenhang belarussische Personen gelistet, die die russischen Streitkräfte unterstützt haben.

Die neuen EU-Sanktionsverordnungen sind ohne weitere Umsetzung in Deutschland unmittelbar wirksam, soweit sie Personenlistungen betreffen am Tag ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt. Eine Übergangsfrist existiert nicht. Lediglich in strafrechtlicher Hinsicht bietet der Gesetzgeber eine "Übergangsfrist" dergestalt, dass ein Verstoß dann nicht bestraft wird, wenn er innerhalb eines Zeitraums von zwei Werktagen nach der Veröffentlichung stattfindet und eine Unkenntnis im Hinblick auf die Listung bestand.

Die Prüfung der Sanktionslisten bezogen auf einzelne Vertragspartner ist momentan sehr aufwendig, da fast täglich Neuerungen eintreten und diese Prüfung von Sanktionslistensoftware nicht mit dieser Tagesaktualität erwartet werden kann. Wir können hier nur empfehlen, im Zweifel händisch anhand der Listungen, die sich aus dem Amtsblatt der EU ergeben, zu prüfen, um auf der sicheren Seite zu sein. Inwieweit die Softwareanbieter für Sanktionslistenprüfungen aktuelle Listen vorhalten, entzieht sich unserer Kenntnis. Es wird empfohlen, auf einschlägige Hinweise Ihrer Softwareanbieten zu warten oder diese zu erfragen. Zudem bieten die EU konsolidierte Listen an, die (fast) täglich aktualisiert werden.

Diese erhalten Sie hier: https://webgate.ec.europa.eu/fsd/fsf#!/files

Es ist nach diesen Verordnungen verboten, den gelisteten Personen, Organisationen oder Einrichtungen Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen (Bereitstellung). Dafür ist ein Grenzübertritt nicht erforderlich. Tatbestandlich ist auch die Bereitstellung in Deutschland oder die Leistung "in Richtung" einer gelisteten Person innerhalb des Landes.

Europäische Unternehmen mit geschäftlichen Beziehungen zu russischen Personen oder Unternehmen oder mit wirtschaftlichen Aktivitäten auf dem russischen Markt sollten nunmehr prüfen, ob durch diese wirtschaftlichen Aktivitäten Bereitstellungstatbestände geschaffen werden.

Als besonders schwierig erweist sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob sie Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen an ein Unternehmen leisten dürfen, wenn zwar nicht das Unternehmen, aber einer der Gesellschafter zu den gelisteten Personen zählt. Auch wenn die Embargoregeln der verschiedenen Länder ähnlich sind, so sollte doch im Wesentlichen zwischen dem Embargo der EU und dem der USA unterschieden werden.

In Europa gilt, dass sowohl die unmittelbare Bereitstellung als auch die mittelbare Bereitstellung im Falle von gelisteten Personen, Organisationen und Einrichtungen verboten ist. Während die unmittelbare Bereitstellung selbsterklärend sein sollte, bedarf es der näheren Auslegung der EU-Embargoregeln in Bezug auf den Umfang der mittelbaren Bereitstellung. Details dazu finden sich nicht in den jeweiligen Verordnungen.

Diese Auslegung nehmen Leitlinien vor, die vom Rat der Europäischen Union, dort von der Gruppe der Referenten für Außenbeziehungen (RELEX) gegeben werden. In der Version vom 4. Mai 2018 ist ausgeführt, dass unter die mittelbare Bereitstellung auch eine Leistung an einen Empfänger fallen kann, falls der Empfänger der Güter nicht selbst gelistet ist, jedoch im Eigentum oder unter der Kontrolle einer gelisteten Person steht, aber nicht in jedem Fall, sondern …

"… sofern nicht im Einzelfall nach vernünftigem Ermessen mittels eines risikobasierten Ansatzes und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände, einschließlich nachstehender Kriterien, festgestellt werden kann, dass die betreffenden Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen nicht von der benannten Person oder Organisation verwendet werden oder ihr zugutekommen." (Zitat aus den Leitlinien).

Das bedeutet, man wird nach der Art oder den Rahmenbedingungen des Geschäfts, insbesondere der Eigenschaften der bereitgestellten Güter, beurteilen müssen, ob die Güter letztlich für die hinter der Empfängerin stehende Gesellschafterin / Gesellschafter gedacht ist oder dorthin gelangen (können). Hier muss im Einzelfall argumentiert werden. Allein die Tatsache, dass der Gesellschafter von der Überlassung an seine Gesellschaft profitiert, reicht hier für die Annahme einer unzulässigen mittelbaren Bereitstellung nach den Leitlinien nicht aus.

In den USA knüpft man eher an der Kontrolle durch gelistete Personen an, wobei die USA die Kontrolle zwingend annehmen, wenn die Person der Gesellschafterin mehr als 50 % der Anteile hält. Eine Kontrolle beispielsweise über Stimmrechte reichen hier aber auch aus, sofern diese Quote nicht erreicht wird. Zumindest empfehlen die Leitlinien der US-Behörden auch bei Beteiligungen von unter 50 % die Geschäftskontakte aufmerksam zu prüfen bzw. von Geschäftskontakten Abstand zu nehmen. Die USA stellen nicht auf die Wahrscheinlichkeit ab, dass die gelieferten Güter bzw. die Gelder an die Person des Gesellschafters fließen. Sollten also Personen betroffen sein, die auch in den USA gelistet sind, führt dies dazu, dass ein Liefervorgang nach US-Recht verboten sein kann. Hier müsste geprüft werden, inwieweit das Recht der USA auch Personen in Deutschland bindet, was möglich, aber nicht zwingend ist.

Gerade dieser zweite Prüfungsschritt erfordert von Unternehmen besondere Wachsamkeit, lassen Sie sich dabei von uns unterstützen! Weitere Details zu den EU-Russland Sanktionen erläutern wir in unserem Infoletter März. Sie können sich auch hier anmelden, wir halten Sie auf dem Laufenden!