10.03.2022 08:28 Alter: 2 yrs
Kategorie: Außenwirtschaft
Von: Rechtsanwalt Stefan Dinkhoff

Was ist bzgl. bestehender oder künftiger Verträge zu beachten?

Im Bereich der Embargos ist ggfs. nicht nur die Ausfuhr (also die spätere Warenbewegung aus der EU ins Drittland) verboten bzw. genehmigungspflichtig.

Vielmehr ist es regelmäßig verboten, z.B. speziell (etwa die im neuen Anhang VII der Russland Embargo VO 833/2014 akt. Fassung) aufgeführte Güter und Technologien „unmittelbar oder mittelbar an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland oder zur Verwendung in Russland zu verkaufen, zu liefern, zu verbringen oder auszuführen“ (vgl. Art. 2a). Bereits der Vertragsschluss ist also verboten. Und zwar auch, wenn “lediglich“ mittelbar, etwa über Dritte, zur Verwendung in Russland verkauft wird. Diese Problematik greift ebenfalls mit Blick auf Fragestellungen der (mittelbaren) Bereitstellung an gelistete Personen/Unternehmen (auch wenn die neuen Listungen vornehmlich natürliche Person betreffen, können diese freilich Eigentum bzw. Kontrolle über Unternehmen ausüben, sodass zu prüfen ist, ob ein nicht-gelistetes Unternehmen unter diesen Gesichtspunkten wie eine gelistete Person zu behandeln ist).

Soweit Sie also im Begriff sind, Liefer- bzw. Kaufverträge mit Russlandkontext zu unterzeichnen, gilt umso mehr der von uns bereits seit Jahren abgegebene dringende Rat, keine rechtsverbindlichen Vertragsabreden vor Klärung der Zulässigkeit des Rechtsgeschäfts abzugeben und den sichersten Weg zu gehen, vor Abgabe eines Angebots die Zulässigkeit des Rechtsgeschäfts, also insb. Vertragspartner und Waren zu prüfen. Ergänzend kann es im Einzelfall hilfreich sein, Verträge aufschiebend bedingt zu schließen bzw. Angebote zum Abschluss eines Vertrages aufschiebend bedingt bzw. nicht rechtsverbindlich abzugeben - denn bereits mit Abgabe eines Angebotes geben Sie, soweit die wesentlichen Vertragsbestandteile im Angebot enthalten sind, die Entscheidung über den Vertragsschluss “aus der Hand“. Ob eine Vereinbarung als rechtsverbindlich oder als rechtlich unverbindlich anzusehen ist, ist eine Frage der zivilrechtlichen Auslegung der jeweiligen Vereinbarung im Einzelfall. Derartige Klauseln machen natürlich auch Sinn mit Blick auf künftige Rechtsänderungen: Die aktuellen Entwicklungen machen deutlich, wie schnell sich Dinge grundlegend ändern können. Bedenken Sie dies auch mit Blick auf Ihr Geschäft mit anderen Ländern, wo weitere Beschränkungen drohen können.

Schadensersatzansprüche, etwa wenn Sie die Beschränkungen fahrlässig nicht erkannt haben, stehen dann freilich immer noch auf einem anderen Blatt: Hier ist es wichtig, auch begleitende Regelungen im Vertrag vorzusehen.

Force Majeure-Klauseln sind hier einer von mehreren Wegen, die in Betracht kommen (ein ausdrückliches Recht zur Leistungsverweigerung aufgrund exportkontrollrechtlicher, insbesondere embargorechtlicher Beschränkungen ein anderer - viele Wege führen nach Rom). Beachten Sie, dass solche Klauseln durchaus unterschiedliche Rechtsfolgen vorsehen können und Sie idealerweise die für Sie (etwa als Lieferant) passende Rechtsfolge vorsehen sollten: Soll die Lieferpflicht wegfallen und ein diesbezüglicher Schadenersatzanspruch ausgeschlossen werden? Oder soll lediglich eine Rücktritts- bzw. Kündigungsrecht vorgesehen werden? Was ist mit dem Ausgleich für bereits erhaltene Leistungen? Oder steht es vielleicht eher in Ihrem Interesse, die Leistungspflichten zunächst lediglich zu verzögern (etwa wenn in Zeiten aktueller BAFA-Überlastung Genehmigungen länger auf sich warten lassen)? Insoweit ist auch an begleitende Informationspflichten, insbesondere im Hinblick auf bei den Behörden vorzulegende Dokumente, zu denken. Wollen Sie auch die Leistung verweigern können, wenn eine Lieferung zwar nach EU-Recht zulässig wäre, jedoch dem US-Recht widerspricht? Daneben ist eine Freistellung von etwaigen Ansprüchen Dritter empfehlenswert.

Noch ein Hinweis, der eigentlich an den Anfang gehört: In vielen Unternehmen und auch bei einigen Vertragsverhandlungen werden Fragen der Rechtswahl und des Gerichtsstandes oft erst am Ende thematisiert bzw. ausgehandelt. Dabei legen die Zuständigkeit des (Schieds-)Gerichts und die Wahl des geltenden Rechts immer die wesentliche Basis für die Beantwortung etwaiger vertragsrechtlicher Fragestellungen. Ein populärer Irrtum bei Lieferverträgen bzgl. Drittländern ist etwa, dass mit der (Ab-)Wahl des UN-Kaufrechts die Frage der Rechtswahl geklärt sei. Dem ist nicht so: Ein mit der Sache befasste Richter muss dann immer noch für sich die Frage beantworten, welches Recht gilt, soweit das in vielen Bereichen unvollständige UN-Kaufrecht keine Regelungen enthält. Ohnehin gilt: Vertragsrecht geht dem Gesetzesrecht grundsätzlich vor. Klare und unmissverständliche Regeln helfen, Streitfälle von vornherein zu vermeiden. Präzise ausformulierte Regelungen gelten regelmäßig auch unabhängig von der Rechtswahl.

Aktuell stellen sich natürlich auch viele Fragen im Hinblick auf bereits geschlossene Verträge, nicht nur in Bezug auf die fristgebundenen Altvertrags-Genehmigungsregelungen (mit Antragsfristen: vgl. etwa Art. 2a Abs. 6 Russland Embargo VO 833/2014 akt. Fassung). Hier gilt es, nach Maßgabe des anwendbaren Rechts zu prüfen, ob etwa nach einer enthaltenen Force Majeure-Klausel auch in Bezug auf drohende Zahlungsausfälle, Leistungsverweigerungsrechte bestehen. Im Grunde sind hier alle Fragestellungen relevant, die wir Ihnen oben als idealerweise in neue Verträge aufzunehmende Themenbereiche dargestellt haben.

Zwar ist bereits nach deutschem Recht ein ohne erforderliche (behördliche) Genehmigung vorgenommenes Rechtsgeschäft unwirksam (§ 15 Abs. 1 AWG) und ein gegen ein gesetzliches Verbot verstoßendes Rechtsgeschäft nichtig (§ 134 BGB), sodass diese Vorschriften der Vertragserfüllung / Lieferung entgegenstehen. Es bleibt aber gleichwohl zu klären, ob daraus z.B. Schadenersatzansprüche Ihres Vertragspartners folgen, wenn er Ihnen z.B. vorwirft, Sie hätten erkennen können/müssen, dass der geplante Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstößt etc.

Bei allen vertraglichen Fragestellungen gilt:

  1. Setzen Sie sich bei Fragestellungen zur Ausfuhr auch mit dem Vertragspartner zusammen. Gemeinsam kann man möglicherweise eine zufriedenstellende Lösung / Vertragsanpassung finden.
  2. Studieren Sie den Vertrag, damit Sie über Ihre Rechte und Pflichten Bescheid wissen. Dazu zählen in der Regel auch kurzfristige Mitteilungspflichten gegenüber dem Vertragspartner, dass eine avisierte Leistung möglicherweise nicht umgesetzt werden kann. Dokumentieren Sie dies, wie auch Ihre Bemühungen, die Umsetzung des bereits geschlossenen Vertrages noch retten zu können / zu wollen.
  3. Lösen Sie ggf. vertragliche Konstellationen wie Anpassungsangebote, Schiedsgerichtsverfahren, Leistungsverweigerungen oder Kündigungen aus, damit man Ihnen nicht vorwerfen kann, Zeit verzögert zu haben. Das gilt selbstverständlich nur, wenn Sie begründeten Anlass haben zu glauben, die vertragliche Abwicklung sei gestört.
  4. Holen Sie erforderlichenfalls rechtzeitig Beratung über Ihre genaue Position ein. Wir unterstützen Sie hier gerne.