29.01.2024 11:28 Alter: 90 days
Kategorie: Außenwirtschaft
Von: Rechtsanwältin Julia Gnielinski

White-Paper der EU-Kommission zur Exportkontrolle - welche Änderungen werden vorgeschlagen?

Die EU-Kommission veröffentlichte am 24.01.2024 ein White-Paper zur Nachschärfung der EU-Ausfuhrkontrolle von Dual-Use-Gütern bisher in Verordnung (EU) 2021/821.

Die EU-Ausfuhrkontrollen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck gelten als ein wichtiges Instrument zur Friedenssicherung, zur Sicherheit sowie für den Schutz der Menschenrechte. Die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck in Länder außerhalb der EU ist daher genehmigungspflichtig, um die Möglichkeit einzuschränken, dass diese Güter in Kriegs- oder Konfliktsituationen, bei Menschenrechtsverletzungen oder bei der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen eingesetzt werden.

Für besonders überarbeitungswürdig hält die EU-Kommission einerseits die Situation neue Entscheidungen über kontrollpflichtige Güter zu treffen und mit den technologischen Entwicklungen Schritt zu halten und andererseits eine Überwindung des Flickenteppichs nationaler Kontrollmaßnahmen innerhalb der EU mit der Folge der Zersplitterung des Binnenmarktes, also die Sicherstellung einheitlicher Kontrollen in der EU.

Obwohl die Regulierung der Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck in der Verordnung (EU) 2021/821 noch nicht alt ist, hat sich der globale Kontext für Ausfuhrkontrollen grundlegend verändert durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine beginnend am 24. Februar 2022.

Bereits am 25.02.2022 wurden Sanktionen mit Ausfuhrbeschränkungen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck und sensible Güter von der EU verhangen. Dies hat deutlich gemacht, dass die EU ein System von Ausfuhrkontrollen braucht, das schnell und einheitlich greifen kann.

Allerdings konnten technische Innovationen bzw. die Feststellung, dass sie zu den sensiblen Gütern zählen seitdem nicht mehr zügig in den Anhang I der Dual-Use-Verordnung aufgenommen werden. Das liegt an dem System der Aufnahme neuer kontrollpflichtiger Güter.

Bisher wird die Dual-Use-Verordnung ergänzt durch multilaterale Ausfuhrkontrollregime. Sie bilden das Fundament der EU-Ausfuhrkontrollen und werden regelmäßig in die Listen von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck im Rahmen der Dual-Use-Verordnung aufgenommen. Da die Mitgliedschaft der Mitgliedstaaten in solchen Regimen uneinheitlich ist, können nicht alle an den Entscheidungsprozessen für neue Kontrollen teilnehmen, die anschließend in die Dual-Use-Verordnung aufgenommen werden. So fehlt ihnen ein Forum, um ihre Bedenken in Bezug auf Nichtverbreitungs- und Ausfuhrkontrollfragen zu äußern, die in den multilateralen Regimen behandelt werden, denen sie nicht angehören. Es fehlt hier also auch an einer gemeinsamen Stimme der EU.

Die die wichtigsten multilateralen Regime sind die Australische Gruppe, das Raketentechnologie-Kontrollregime, die Gruppe der Nuklearlieferländer und das Wassenaar-Arrangement. Die Vereinbarung neuer Güter für die Ausfuhrkontrolle scheitert in diesem multilateralen System jetzt an der Blockade und an dem Vetorecht Russlands. Damit entwickeln sich die multinationalen Kontrollsysteme nicht weiter. Es sind Lücken im System entstanden und die Aktualisierung der Dual-Use-Verordnung über Anhang I der Güterliste hält nicht mehr Schritt mit der technischen Entwicklung bzw. technischen Erkenntnisse zu kritischen Gütern. Als Folge dieser Lücken sind vermehrt nationale Kontrolllisten verabschiedet worden, nicht nur von Drittstaaten sondern auch von EU-Mitgliedstaaten, was auf Dauer das Gesamtsystem schwächt und „Forum Shopping“ begünstigt.

Erstmalig wurden im Oktober 2023 dann eine Zusammenstellung von nationalen Ausfuhrkontrollen veröffentlicht, um den Mitgliedstaaten einen Überblick, die Möglichkeit einer Koordination und nationaler Reaktionen zu schaffen, damit die Union rasch auf den schwerwiegenden Missbrauch bestehender Technologien oder auf neue Risiken im Zusammenhang mit neu entstehenden Technologien reagieren kann. Allerdings wird damit noch kein einheitliches, zeitnahes und wirksames Kontrollsystem geschaffen, dass Blockade der multinationalen Vereinbarungen ausgleicht.

Ergänzend muss nach einer Lösung gesucht werden für die Erweiterung des Anhangs I der EU-Verordnung über Güter mit doppeltem Verwendungszweck, um diejenigen Güter einzubeziehen, die aufgrund der Blockade durch bestimmte Mitglieder, insbesondere Russland, nicht in die multilateralen Ausfuhrkontrollregime aufgenommen wurden, die aber von den Mitgliedstaaten im Rahmen dieser Regime unterstützt wurden.

Die EU-Kommission schlägt in diesem Whitepaper verschiedene Schritte der Optimierung vor:

  • Änderung des Systems zur Aufnahme von Gütern in die derzeitige EU-Kontrollliste in Anhang I der Dual-Use-Verordnung:

    • Entweder über einen Legislativvorschlag der Kommission im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, um eine Aktualisierung von Anhang I zu ermöglichen, die vom Europäischen Parlament und vom Rat gemeinsam verabschiedet werden müsste.
    • Oder über einen delegierten Rechtsakt der Kommission. Die Dual-Use-Verordnung überträgt die Änderung ihres Anhangs I an die Kommission, sofern die Bedingungen für die Übertragung erfüllt sind, insbesondere, dass eine solche Änderung die von den Mitgliedstaaten eingegangenen internationalen Verpflichtungen in Bezug auf diese neuen Punkte widerspiegelt.
      Die Folge beider Regelungen wäre, dass die EU schneller die Güterlisten anpassen kann, sich auf ihre Interessen mehr beziehen kann, die nachfolgenden Kontrollen in den Mitgliedstaaten auch einheitlicher ausfallen können.

  • Außerdem schlägt die EU-Kommission ein Forum für Ausfuhrkontrollpolitik vor aus Mitgliedstaaten und Kommission, in dem die Entwicklungen auf der entsprechenden Führungsebene erörtert werden, um gemeinsame EU-Positionen zu fördern, die Binnenmarktdimension der Entwicklungen im Bereich der Ausfuhrkontrolle zu berücksichtigen und Maßnahmen auf internationaler Ebene vorzubereiten und zu koordinieren.
  • Weiter soll auch ein Mechanismus für eine bessere Koordinierung der neuen nationalen Kontroll-Listen von den Mitgliedstaaten eingeführt werden, um früher Güter auf nationale Kontroll-Listen setzten zu können, sowohl die anderen Mitgliedstaaten als auch die Kommission sollen hier die Möglichkeit zur Stellungnahme bekommen. Einen Verbesserungsvorschlag plant die Kommission hierzu zu entwickeln.
  • Abschließend regt die Kommission an den Evaluierungszeitraum der Dual-Use-Verordnung vorzuverlegen auf 2025.


Fazit:
Mit diesem White-Paper zur Ausfuhrkontrolle macht die EU-Kommission Vorschläge, wie sich die Ausfuhrkontrolle optimieren ließe, um ein schnelleres und koordinierteres Vorgehen zu schaffen, damit unkoordinierte Vervielfachung der nationalen Kontrollen durch die Mitgliedstaaten unnötig werden und die Wirksamkeit der Ausfuhrkontrollen sowie die Integrität des Binnenmarktes gestärkt wird.

White-Paper