19.07.2021 09:46 Alter: 3 yrs
Kategorie: Steuern
Von: Rechtsanwalt Dr. Ulrich Möllenhoff; Rechtsanwältin Almuth Barkam

Änderungen im grenzüberschreitenden Onlinehandel zum 01.07.2021

Zum 01. Juli sind neue Mehrwertsteuerregelungen in Kraft getreten, die den grenzüberschreitenden elektronischen Handel bei Verkäufen an Verbraucher vereinfachen sollen.

Worum geht es?

Bis zum 30.06.2021 galt für Waren mit einem geringen Wert bis zu 22,- EUR eine
Einfuhrumsatzsteuerbefreiung, d.h., für diese Waren musste bei der Einfuhr aus
Drittländern keine Einfuhrumsatzsteuer gezahlt werden. Dieser Schwellenwert für
Kleinsendungen war Einfallstor für Mehrwertsteuerbetrug und verschaffte den
drittländischen Verkäufern einen Handelsvorteil gegenüber ihren Wettbewerbern in der
EU, die bei Verkäufen an Endverbraucher innerhalb der EU Mehrwertsteuer erheben
mussten und müssen. Seit dem 01.07.2021 wird auf alle Waren, die in die EU
eingeführt werden, Einfuhrumsatzsteuer erhoben. Dadurch werden Nicht-EU Unternehmen, die Gegenstände aus Drittländern an Verbraucher in der EU verkaufen,
mit den in der Union ansässigen Wettbewerbsunternehmen gleichgestellt.

Die Pflicht der Verkäufer, sich im Mitgliedstaat des Verbrauchs registrieren zu lassen
und die Mehrwertsteuer dort abzuführen, wenn bestimmte Schwellenwerte – die in den
EU-Mitgliedstaaten auch noch unterschiedlich waren – überschritten waren, bedeutete
für viele Händler einen erheblichen Verwaltungsaufwand. Hier sollte eine
Vereinfachung geschaffen werden.

Was sind die Änderungen?

  • Für innergemeinschaftliche Fernverkäufe gilt seit dem 01.07. in allen Mitgliedstaaten ein einheitlicher Netto-Schwellenwert von 10.000,- €. Sobald die Schwelle überschritten wird, ist die Mehrwertsteuer im Zielland abzuführen. Unternehmen, die diese Umsatzschwelle mit ihren EU-weiten Lieferungen nicht erreichen, schulden die Mehrwertsteuer auch weiterhin in dem EU-Staat, in dem sie ansässig sind. Durch das Herabsetzen des Schwellenwertes werden künftig wohl sehr viel mehr EU-Händler in anderen EU-Staaten Umsatzsteuer abführen müssen.
  • Um das Registrierungsverfahren und das Abführen der Mehrwertsteuer zu erleichtern, wurde die One-Stop-Shop-Regelung eingeführt. Diese ermöglicht es den Unternehmen, deren Umsätze unter diese Sonderregelung fallen, sich in dem Mitgliedstaat registrieren zu lassen, in dem sie ansässig sind und in diesem Mitgliedstaat die in anderen Mitgliedstaaten fällige Mehrwertsteuer in einer besonderen Steuererklärung zu erklären und auch im Ansässigkeitsstaat zu entrichten. Über den One-Stop-Shop erfolgt die Übermittlung der Mehrwertsteuer an den jeweiligen Mitgliedstaat. In Deutschland ist das Bundeszentralamt für Steuern für die Registrierung von im Inland ansässigen Unternehmen zuständig. Das Verfahren kann von Unternehmen in Anspruch genommen werden, die gegen Entgelt

- Dienstleistungen an Privatpersonen in Mitgliedstaaten der EU erbringen, in denen sie nicht ansässig sind oder

- Innergemeinschaftliche Fernverkäufe tätigen oder

- Eine elektronische Schnittstelle zur Verfügung stellen, durch deren
Nutzung sie die Lieferung von Gegenständen innerhalb eines
Mitgliedstaats durch einen nicht in der Union ansässigen
Steuerpflichtigen unterstützen und deshalb so behandelt werden, als
ob sie die Gegenstände selbst geliefert hätten (sog. Online Marktplätze).

Unternehmen, die nicht in der Europäischen Union ansässig sind, aber
im Inland über eine Einrichtung wie z. B. ein Warenlager verfügen,
von dem aus Waren an Privatpersonen in anderen EUMitgliedstaaten
geliefert werden, können diese Regelung ebenfalls
beanspruchen.

(Weitere Informationen zu diesem Verfahren unter
https://www.bzst.de/DE/Unternehmen/Umsatzsteuer/One-Stop-
Shop_EU/one_stop_shop_eu_node.html#js-toc-entry1
)

  • Zu beachten ist, dass zwar die Freibetragsgrenze von 22,- € für die Einfuhrumsatzsteuer aufgehoben wird, die Grenze von 150,- € Sachwert, bis zu der Importwaren zollbefreit sind, aber bestehen bleibt. Für Fernverkäufe von aus Drittländern eingeführten Gegenständen mit einem Wert bis zu 150,- € wurde das neue Verfahren "Import One Stop Shop – IOSS" geschaffen, das als "einzige Anlaufstelle für die Einfuhr" dienen soll. Auch dieses Verfahren soll eine einfache Registrierung für Mehrwertsteuerzwecke – in diesem Fall für Nicht-EU-Unternehmen – ermöglichen und sicherstellen, dass die Mehrwertsteuer dem EU-Mitgliedstaat zugeführt wird, in dem die Mehrwertsteuer letztendlich zu entrichten ist. Die EU-Kommission verspricht sich von dieser Regelung deutlich mehr Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher: Bei Käufen von einem Nicht-EU-Unternehmen oder einer Plattform, die im OSS registriert ist, sollte die Mehrwertsteuer im Verkaufspreis inbegriffen und ersichtlich sein. Da die Mehrwertsteuer bereits entrichtet wurde, müssen die Endverbraucher keine Zahlungen an Post- oder Kurierdienste leisten (s. https://ec.europa.eu/germany/news/20210628- mehrwertsteuer-reform_de).

Bei der Einfuhr der Waren in die EU muss eine Zollanmeldung abgegeben
werden. Die Unternehmen können ihre in den übrigen Mitgliedstaaten der EU
getätigten Fernverkäufe, die unter diese Sonderregelung fallen, in einer
besonderen Steuererklärung monatlich erklären und die sich ergebende Steuer
insgesamt entrichten. Sofern in der Zollanmeldung eine gültige IOSS-Nummer
angegeben wird, sind die Waren bei Überlassung zum zollrechtlich freien
Verkehr gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG von der Einfuhrumsatzsteuer befreit.

Diese Einfuhrregelung gilt nur bei Lieferungen eines Unternehmens an einen
Privatkunden, findet also im Handel zwischen Unternehmen keine Anwendung
und kann auch für verbrauchsteuerpflichtige Waren sowie für
Geschenksendungen von Privatpersonen an Privatpersonen nicht in Anspruch
genommen werden.

 

  • Für Fernverkäufe von aus Drittländern eingeführten Gegenständen bis zu einem Sachwert von 150,- €, für die das Import-One-Stop-Shop-Verfahren nicht genutzt wird, wurde eine Sonderregelung für die Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer bei der Einfuhr eingeführt, die in § 21a UStG geregelt ist: In diesem Fall werden die Gegenstände bei der Einfuhr von der gestellenden Person für Rechnung des inländischen Sendungsempfängers zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet. Der Erwerber entrichtet die Einfuhrumsatzsteuer bei der Auslieferung der Ware an den Anmelder bzw. die Person, die die Waren dem Zoll gestellt – dies wird in der Regel ein Postbetreiber, ein Express- oder Kurierdienst oder ein Zollagent sein. Diese hat die Einfuhrumsatzsteuer über das Aufschubkonto rechtzeitig an die Zollverwaltung zu entrichten.

Weitergehende Informationen zu dieser Thematik erhalten sie auch auf der Seite der
Zollverwaltung unter
https://www.zoll.de/DE/Unternehmen/Warenverkehr/Postsendungen-
Internetbestellungen/Neuerungen-eCommerce/neuerungen-ecommerce_node.html.