14.01.2019 08:08 Alter: 5 yrs
Kategorie: Steuern
Von: Rechtsanwältin Almuth Barkam

EuGH zu Vorsteuerabzugsberechtigung bei fehlender Rechnung

In seinem Urteil vom 21.11.2018 (C-664/16) hat der EuGH über die Frage entschieden, ob die entsprechenden Vorschriften der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL - RL 2006/112/EG) es einem Steuerpflichtigen gestatten, von seinem Vorsteuerabzugsrecht Gebrauch zu machen, wenn er nicht in der Lage ist, die Vorsteuerbeträge durch steuerliche Rechnungen nachzuweisen.

In dem zugrundeliegenden Fall hatte der rumänische Staatsbürger Vadan durch den Verkauf von Immobilien und Baugrundstücken einen Umsatz erwirtschaftet, der die Schwelle für die Mehrwertsteuerbefreiung bei weitem überstieg. In dem sich anschließenden Klageverfahren gegen den von der rumänischen Finanzverwaltung erlassenen Nacherhebungsbescheid wies das erstinstanzlich zuständige Berufungsgericht die Anträge des Klägers zurück. Der daraufhin angerufene Oberste Kassations- und Gerichtshof verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück, weil nach Meinung des Gerichtshofs das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug zu Unrecht verneint worden war. Das Ausgangsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass der Steuerpflichtige sich auf bestimmte Dokumente - im vorliegenden Fall die
Ergebnisse zweier Sachverständigengutachten - nicht stützen könne, weil er die Originale der Dokumente über den Erwerb von Gegenständen und den Empfang von Dienstleistungen für die veräußerten Gebäude nicht vorgelegt habe. Das Gericht habe ferner nicht berücksichtigt, ob die Höhe des Vorsteuerabzugsrechts mittels
anderer Dokumente als der Originalrechnungen hätte bestimmt werden können.

Der EuGH lehnte es im Ergebnis für den konkreten Fall zwar ab, dass ein Steuerpflichtiger unter den genannten Umständen allein auf der Grundlage einer Schätzung in Form eines gerichtlich angeordneten Sachvertändigengutachtens ein Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen kann, er betonte unter Verweis auf das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität aber erneut, dass der Vorsteuerabzug zu gewähren ist, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Voraussetzungen nicht genügt hat. Ein Vorsteuerabzug könne nicht allein deshalb verweigert werden, weil eine Rechnung nicht die formalen Voraussetzungen des Art. 226 Nr. 6 und Nr. 7 MwStSystRL erfülle, wenn die Steuerverwaltung über sämtliche Daten verfüge, um zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugsrechts erfüllt sind. Eine solch strikte Anwendung der formalen Voraussetzung, Rechnungen vorzulegen, würde dem Steuerpflichtigen auf unverhältnismäßige Weise die steuerliche Neutralität seiner Umsätze verwehren.

Gleichwohl müsse der Steuerpflichtige durch objektive Nachweise belegen, dass die materiellen Voraussetzungen erfüllt seien. Hierzu gehöre nach Art. 168a MwStSystRL der Nachweis, dass ihm andere Steuerpflichtige auf einer vorausgehenden Umsatzstufe tatsächlich Gegenstände oder Dienstleistungen geliefert bzw. erbracht haben und der Steuerpflichtige diese auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet und hierfür die Mehrwertsteuer tatsächlich entrichtet hat.

Anmerkung:
Das EuGH-Urteil schließt sich an die in der jüngeren Vergangenheit ergangenen Entscheidungen an, mit denen der EuGH bereits einer streng formalen Sichtweise eine Absage erteilt und die Rechnungsanforderungen insgesamt gelockert hat (vgl. EuGH v. 15.11.2017 – C-374/16, C-375/16, Geissel und Butin).

Bemerkenswert an dieser neuen Entscheidung ist, dass der EuGH einen Vorsteuerabzug grundsätzlich als möglich ansieht, auch wenn überhaupt keine Rechnung vorliegt. Als „Alternativnachweis“ für das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen führt er beispielhaft die „Unterlagen im Besitz des Liefernden“ an. Die Entscheidung eröffnet den Unternehmen damit einen breiteren Spielraum, die Vorsteuerabzugsberechtigung nachzuweisen in Fällen, in denen die Finanzverwaltung einen Vorsteuerabzug bislang aufgrund fehlender Rechnung(svoraussetzungen) abgelehnt hat.