06.05.2024 11:37 Alter: 13 days
Kategorie: Steuern
Von: Almuth Barkam

Fehler beim Ausstellen von Präferenznachweisen und die Frage der Strafbarkeit

Tagtäglich werden sie in deutschen Unternehmen ausgestellt: Ursprungserklärungen auf der Rechnung! Sie bedeuten für den Empfänger der Ware im Drittland bares Geld, denn dieser kann Ware, für die eine Ursprungserklärung vorliegt, zollbegünstigt oder zollfrei einführen.

Hinter diesem augenscheinlich simplen System steckt im Detail viel Prüfungs- und Dokumentationsaufwand bei dem Unternehmen,
das eine solche Erklärung ausstellt:

· Es müssen Lieferantenerklärungen angefordert werden für Waren mit europäischem Ursprung, die ohne weitere
Verarbeitung ins Drittland geliefert werden sollen und für die eine Ursprungserklärung ausgestellt werden soll, damit der
Empfänger im Drittland eine Präferenz in Anspruch nehmen kann. Diese Lieferantenerklärungen müssen geprüft und
archiviert werden.

· Produzenten müssen bezogen auf das Empfängerland das zugrundeliegende Freihandelsabkommen prüfen. Die
Verarbeitungsregel des jeweiligen Abkommens muss korrekt angewendet werden. Dies setzt voraus, dass die betroffenen
Ausfuhrwaren korrekt in den Zolltarif eingereiht werden.

· Es muss geprüft werden, welche Vormaterialien EU-Ursprungswaren sind und ob Nachweise für den Ursprung dieser Waren, i.d.R. in Form von (Langzeit-)Lieferantenerklärungen, vorliegen. Für alle Vormaterialien, die Nicht-Ursprungswaren sind, muss die Einhaltung der jeweiligen Verarbeitungsregel geprüft werden.

Für das viele "Müssen" dieser längst nicht vollständigen Auflistung benötigt das Unternehmen qualifizierte Mitarbeiter mit guten Kenntnissen im Präferenzrecht und eine interne Organisation, mit der sich die vielen Aufgaben managen lassen. Schon diese Auflistung zeigt die Fehleranfälligkeit des „Systems Ursprungserklärungen“. Vor diesem Hintergrund fragen Unternehmen zurecht, wie mit Fehlern umzugehen ist und welche strafrechtlichen Folgen sich daraus ergeben können.

Folgen von Fehlern
Da das Ausstellen von Ursprungserklärungen in der Verantwortung des Unternehmens liegt und ohne die Kontrolle einer Zollbehörde durchgeführt wird, werden Fehler entweder im Rahmen interner Kontrollmaßnahmen durch das Unternehmen
festgestellt oder im Rahmen einer Überprüfung von Ursprungserklärungen durch die Zollbehörde (sog. Präferenzprüfung).

Dass Fehler im „System Ursprungserklärung“ strafrechtliche Folgen haben können, erschließt sich auf den ersten Blick nicht unbedingt. Dem System liegt nämlich die Besonderheit zugrunde, dass die Ursprungserklärungen zwar hier in Deutschland
ausgestellt werden, die abgabenrelevanten Folgen aber im Drittland eintreten im Zusammenhang mit der dortigen Einfuhranmeldung. Auf Grundlage der Ursprungserklärung meldet der Importeur – meist der Kunde im Drittland – die Einfuhr der Ware unter Inanspruchnahme der Zollpräferenz an. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass die Zollbegünstigung zu Unrecht gewährt wurde, weil die Ursprungserklärung falsch ist, werden im Drittland ggf. Zölle nacherhoben.
Dies kann sich äußerst unangenehm auf die Geschäftsbeziehung zum Kunden auswirken, denn der Kunde im Drittland verlangt ggf. einen Schadensausgleich für die nachzuzahlenden Einfuhrzölle. Das Unternehmen, das die Erklärung abgegeben hat, wird prüfen müssen, ob eine vertragliche Verpflichtung zur Lieferung von Ursprungsware bestand. Zugleich steht auch die Frage im Raum, ob das Ausstellen der fehlerhaften Präferenznachweise ein strafbares Verhalten begründet
und ob ggf. die Möglichkeit besteht, eine strafbefreiende Selbstanzeige abzugeben.

Die Frage der Strafbarkeit stellt u.a. deshalb, weil § 370 Abs. 6 AO bestimmt, dass die Absätze 1 bis 5 des § 370 AO (Grundtatbestand der Steuerhinterziehung) auch dann gelten, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation zustehen. Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) sind die Schweiz, Norwegen,
Lichtenstein und Island.

Nicht nur die Grundnorm des § 370 AO dehnt den Anwendungsbereich auf Einfuhrabgaben der EFTA-Staaten aus, sondern auch im
Fall einer Steuerordnungswidrigkeit gilt nach § 378 Abs. 1 Satz 2 AO der § 370 Abs. 6 AO.
In beiden Fällen besteht die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige. Eine intensive Auseinandersetzung mit den einzelnen Strafnormen würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, deshalb soll in aller Kürze auf Folgendes hingewiesen werden:

§ 370 AO

§ 370 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 AO setzt ein vorsätzliches Handeln voraus, was bedeutet, dass in Kenntnis aller objektiven Tatumstände
der Taterfolg – also die Steuerverkürzung in einem der o.g. Länder – zumindest billigend in Kauf genommen wird. Dieser Fall dürfte
in der geschäftlichen Praxis der Unternehmen eher selten vorkommen.

§ 378 AO

Mehr Praxisrelevanz hat daher der Fall einer Steuerordnungswidrigkeit nach § 378 AO. Nach § 378 Abs. 1 Satz 1 AO handelt ordnungswidrig, wer als Steuerpflichtiger eine der in § 370 Abs. 1 bezeichneten Taten leichtfertig begeht. Satz 2 verweist
ausdrücklich auf die Anwendbarkeit des Absatzes 6 des § 370 AO hin, also wird auch hier der Anwendungsbereich auf Einfuhrabgaben in den EFTA-Ländern und auf die Mitgliedstaaten der EU ausgedehnt. Ein ordnungswidriges Verhalten liegt vor, wenn in subjektiver Hinsicht von einer Leichtfertigkeit gesprochen werden kann. Der Begriff
„leichtfertig“ bezeichnet einen erhöhten Grad von Fahrlässigkeit, d.h. ein grob fahrlässiges Verhalten (Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Auflage 2023 Rn. 33). Hier ist die Abgrenzung im Einzelfall nicht immer leicht, denn die Rechtsprechung
verlangt, dass ein Steuerpflichtiger sich über die steuerlichen Pflichten informiert, die ihn innerhalb seines Lebenskreises treffen (BGH 10.07.2019, BB 2020, 926). So kann von einem Unternehmen, das so wichtige Belege wie Präferenznachweise ausstellt,
verlang werden, dass es sich darüber informiert, welche Voraussetzungen zu erfüllen und welche Pflichten dabei zu beachten sind.

Die Umstände des Einzelfalls sind entscheidend. Sprechen diese für ein grob fahrlässiges Verhalten, muss die Unternehmensleitung entscheiden, ob sie gemäß § 378 Abs. 3 eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige abgeben möchte. Diese setzt voraus, dass der Täter die unrichtigen Angaben berichtigt, bevor ihm die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt
gegeben worden ist, § 378 Abs. 3 AO.

§ 379 Abs. 1 Nr. 1 AO
Durch die fehlerhafte Ausfertigung von Ursprungserklärungen wird in der Regel der Tatbestand der Steuergefährdung nach § 379
Abs. 1 Nr. 1 AO verwirklicht, die Tat ist jedoch nicht selbstanzeigefähig.

Fazit
Stellt ein Unternehmen fest, dass es Ursprungserklärungen fehlerhaft ausgestellt hat und hat die Verwendung dieser Erklärungen zu
einer Abgabenverkürzung in einem EFTA-Mitgliedstaat geführt, sind straf- oder bußgeldrechtliche Folgen nicht ausgeschlossen.
Unternehmensintern ist zu klären, ob eine strafbefreiende Selbstanzeige abgegeben werden sollte. Dies kann empfehlenswert sein, wenn der Zoll sich bereits für eine Präferenzprüfung angekündigt hat, aber noch kein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wurden.