12.02.2014 10:53 Alter: 10 yrs
Kategorie: Steuern
Von: Rechtsanwalt Heiko Panke, Fachanwalt für Steuerrecht

Hersteller manipulierbarer Kassensysteme haften persönlich für hinterzogene Steuern ihrer Kunden

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) hat in einem Beschluss vom 07.01.2015 – 5 V 2068/14 entschieden, dass der Geschäftsführer einer Firma, die Kassensysteme nebst Manipulationssoftware herstellt und vertreibt, für die Steuern haftet, die ein Kunde (im konkreten Fall der Inhaber einer Eiscafés – „A“) hinterzogen hat (rund 1,6 Mio. Euro). Im zu entscheidenden Fall stellte ein Unternehmen Kassensysteme her und vertrieb diese zugleich. Der Inhaber eines Eiscafés erwarb im November 2002 ein Kassensystem, das neben diverser Hardware auch eine Software zur Manipulation der im Kassensystem erfassten Daten umfasste.


Im Rahmen einer Außen- und Steuerfahndungsprüfung bei dem Inhaber des Eiscafés, wurden Manipulationen an dem im Kassensystem erfassten Datensatz seit mindestens Dezember 2003 festgestellt, die zu einer deutlichen Minderung der tatsächlich erzielten Umsatzerlöse führten. Die Manipulationen räumte der Inhaber des Eiscafés in einem Steuerstrafverfahren vor dem Landgericht in vollem Umfang ein. In diesem Verfahren gab er an, dass der Antragsteller (der Geschäftsführer der GmbH) ihm das Kassensystem verkauft und ihn auch bezüglich der Benutzung der Manipulationssoftware eingewiesen habe. Dem Inhaber des Eiscafés wurde versichert, dass die Software völlig risikolos eingesetzt werden könne. Das Landgericht verurteilte den Inhaber des Eiscafés wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren. Das Urteil und die Steuerfestsetzungen wurden rechts- bzw. bestandskräftig. 

Im Anschluss an das Verfahren wurde gegen den Geschäftsführer der Gesellschaft ein Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eingeleitet. Hierzu erließ das Finanzamt einen Haftungsbescheid, mit dem dieser für Steuerrückstände des Inhabers des Eiscafés in Haftung genommen wurde. Der Inhaber des Eiscafés hatte die hinterzogenen Beträge nicht entrichtet und Vollstreckungsmaßnahmen brachten bis dahin keine nennenswerten Erfolge hervor. 

Der Geschäftsführer legte gegen den Haftungsbescheid Einspruch ein und trug vor, dass das Manipulationsprogramm ein Mitarbeiter entwickelt habe und er selbst keine Kenntnis von dieser Software gehabt habe. Sie soll so versteckt gewesen sein, so dass selbst die Steuerfahndung bei der ersten Durchsuchung diese nicht entdeckt habe. Er, der Geschäftsführer, habe nur im Vertrieb ausgeholfen und den Inhaber des Eiscafés auch nicht in die Benutzung der Manipulationssoftware eingewiesen. Das Finanzamt änderte den angefochtenen Haftungsbescheid und minderte die Haftungssumme von ursprünglich 2,8 Mio. Euro auf 1,6 Mio. Euro, da in der Zwischenzeit Gelder beim Inhaber der Eiscafés eingetrieben werden konnten. 

Der Geschäftsführer erhob im Juli 2014 Klage und stellte einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Er trug vor, dass der Haftungsbescheid rechtswidrig sei und die sofortige Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheids eine unbillige Härte für ihn bedeuten würde. Weder er selbst noch die Gesellschaft würde über ausreichend Liquidität verfügen, um in Vorleistung zu treten und den geforderten Betrag zahlen zu können.

Das Finanzgericht lehnte den Eilantrag mit unanfechtbarem Beschluss vom 07.01.2015 ab und führte zur Begründung im Kern aus:


„Wer eine Steuerhinterziehung begehe oder an einer solchen Tat teilnehme, hafte nach § 71 Abgabenordnung (AO) für die verkürzten Steuern und könne gem. § 191 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Aufgrund des Geständnisses und der rechtskräftigen Verurteilung des A durch das LG Koblenz sei das Finanzamt zutreffend davon ausgegangen, dass A die streitbefangenen Steuern hinterzogen habe. Zu dieser Steuerhinterziehung des A habe der Antragsteller objektiv und subjektiv Beihilfe geleistet und damit i.S. von § 71 AO an dessen Tat teilgenommen. Er habe das mit der Manipulationssoftware verbundene Kassensystem als Geschäftsführer der GmbH an A verkauft. Dies belege die Rechnung der GmbH, die den Antragsteller als Bearbeiter ausweise. Es sei nicht entscheidend, wann genau durch wen die Installation und Einweisung in das Programm erfolgt sei und ob der Antragsteller selbst oder ein Dritter die Manipulationssoftware entwickelt habe. Die Beihilfe zur Steuerhinterziehung bestehe im Streitfall vielmehr darin, dass der Antragsteller ein komplettes System an A verkauft habe, und zwar mit dem Wissen, welche Möglichkeiten dieses System bietet, und mit dem Ziel, A eine  Steuerverkürzung zu ermöglichen. Der Antragsteller habe A das Kassensystem ausdrücklich als völlig risikoloses Instrument zur Verkürzung von Steuern angeboten und verkauft. 

 Wenn das Finanzamt einen vorsätzlich Beihilfe zur Steuerhinterziehung leistenden Gehilfen als Haftenden in Anspruch nehme, sei dies regelmäßig eine ermessensgerechte Entscheidung, und zwar unabhängig von der Höhe der Haftungsschuld und/oder den finanziellen Möglichkeiten des Gehilfen. Die Haftungsnorm (§ 71 AO) habe nämlich Schadensersatzcharakter und solle eine Schadensersatzpflicht in Höhe der verkürzten Beträge begründen. Der Antragsteller werde hier nicht für sein Fehlverhalten als Geschäftsführer der GmbH in Anspruch genommen, sondern für die vorsätzlich Beteiligung einer fremden Steuerhinterziehung.“