21.06.2023 13:33 Alter: 319 days
Kategorie: Steuern
Von: Rechtsanwältin Julia Gnielinski

Neues Urteil: Drei-Tages-Zustellungsfiktion

Drei – Tages – Fiktion für die Zustellung auch anwendbar, wenn planmäßig zwei aufeinanderfolgenden Tagen keine Postzustellung stattfindet.

Der 8. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit seinem Urteil vom 11. Mai 2023 (C8 K 520/22 E) entschieden, dass die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, die zur Berechnung eines Fristbeginns dient, nicht dadurch entfällt, dass an zwei Tagen, die in diese Zugangsfiktion fallen üblicherweise keine Zustellung stattfindet.
Der Einspruch des Klägers vom 28. Januar 2022, welcher auf einen Freitag fiel, wurde vom Finanzamt zurückgewiesen.

Der Kläger gab im Rahmen einer Klageschrift, welche am 3. März 2022 beim Gericht einging, an, dass die Einspruchsentscheidung erst am Donnerstag, den 3. Februar 2022 bei seinem Bevollmächtigten zugegangen sei. Der Postdienstleister eingesetzt vom Finanzamt stellt an die Kanzleianschrift des Bevollmächtigten an Samstagen keine Post zu.

Die Klage, welche verfristet erhoben worden sei, da nach gesetzlicher Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO die Einspruchsentscheidung am Montag, den 31. Januar 2022 als bekanntgegeben gelte, wurde vom 8. Senat abgewiesen.

Laut Senat stand fest, dass die per einfachem Brief versandte Einspruchsentscheidung am 28. Januar 2022 zur Post aufgegeben wurde. Dies begründete er zum einen mit der Schilderung des Finanzamtes zur Organisation des finanzamtsinternen Postablaufs und zum anderen auf vom Postdienstleister eingeholte Auskünfte inklusive vorgelegter Sendungsdetails zweier in Frage kommender Postsendungen.

Zudem sei es dem Kläger nicht gelungen, berechtigte Zweifel an der gesetzlichen Bekanntgabefiktion zu erheben, wofür ein abweichender Eingangsvermerk wie beispielsweise der auf der Einspruchsentscheidung angebrachte Eingangsstempel der Kanzlei nicht ausreiche.

Des Weiteren konnte nicht festgestellt werden, welche Mitarbeiterin des Bevollmächtigten das Eingangsdatum auf der Einspruchsentscheidung aufgebracht hatte.

Verlangt wurde ein Kanzleistempel auf dem Briefumschlag, der noch zusätzliche Informationen im Stempel über den Postlauf enthält.

Das, wie der Kläger behauptete, der vom Finanzamt eingesetzte Postdienstleister unzuverlässig sei, kann unter Hinweis der vorgelegten Postlaufzeitmessungen ebenfalls nicht nachgewiesen werden. Bei einer Zustellquote von 95,5 % für den Zeitraum zwischen Einlieferungstag und dem zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag könne trotz zweier zustellfreier Tage auch nicht von einer atypischen Konstellation ausgegangen werden, die die Drei – Tages – Fiktion ohne Vorliegen weiterer Umstände entkräfte.

Kritisch daran ist zu betrachten, dass die Drei-Tages-Fiktion zugunsten der Behörde angenommen wird, bei ihr liegt auch die Beweislast des § 122 Abs. 2 AO. Wird der frühzeitig Zugang von der anderen Seite bestritten, kann hier die Behörde bei einem einfachen Brief den Beweis nicht führen.

So gerät das gesetzlich vorgesehene Beweislastverteilungssystem ins Wanken. Aber die Anforderungen an die Nachweise durch den Kläger dürfen in Folge nicht zu hoch sein.

Mit dieser Entscheidung weicht der 8. Senat des Finanzgerichts Münster von der Rechtsprechung des Finanzgerichts Berlin – Brandenburg im Urteil vom 24. August 2022 ab und hat deshalb die Revision zugelassen.