14.02.2023 16:26 Alter: 1 year
Kategorie: Zoll
Von: Rechtsanwalt Dr. Ulrich Möllenhoff, Fachanwalt für Steuerrecht

Antidumpingzölle auf den Import von Fahrrädern und Fahrradteilen

"Mir ist es eingefallen, während ich Fahrrad fuhr", ist eine Erkenntnis, mit der Albert Einstein zitiert wird. Das zeigt, wie großartig das Fahrrad ist.

Das sage ich nicht nur als Bürger der Fahrradhauptstadt Münster, in der jeder Mensch in der Regel mehr als ein Fahrrad besitzt. (ich verrate nicht, wie viele es bei mir sind ...), sondern auch als aktiver Radfahrer und als Berater, der beobachtet, dass bereits während der Corona-Pandemie Deutschland auch zu einem Fahrradland mit vielen Produktionsstätten für Fahrrädern geworden ist, und wo die Nachfrage nach diesem Fahrzeug erheblich in den letzten Jahren gestiegen ist. Natürlich fahren auch alle Kolleginnen und Kollegen in unserem Büro Fahrrad.

Das Fahrrad ist zollrechtlich aber auch eine echte Herausforderung, ist es doch Gegenstand einer der ältesten und detailreichsten Antidumping-Maßnahmen im Zollrecht, also einer Maßnahme, mit der Zusatzzölle auf Fahrräder und Fahrradteile (Rahmen, Gabeln, Felgen, Naben, Kettenschaltungen, Bremsen, Lenker, u.a.) aus der Volksrepublik China und andere Länder, erhoben werden, um auszugleichen, dass die betreffenden Waren günstiger für den Export verkauft werden, als es der Selbstkosten oder örtliche Marktpreis möglich machen sollte. Für Fahrräder und Fahrradteile regelt sich das nach der Verordnung (EG) Nr. 71/97 sowie der Verordnung (EG) 88/97. Der Zuschlag beträgt für solche Waren immerhin 48,5 %.

Dieser Antidumpingzoll existiert schon seit vielen Jahren. Genau genommen seit 1993 und hat sich seitdem erheblich weiterentwickelt. Was zunächst für Fahrräder gedacht war, wurde in den Folgejahren wegen befürchteter Umgehung auf die sogenannten wesentlichen Fahrradteile ausgeweitet. Die Umgehung lag in dem Versuch, durch einfaches Zusammenschrauben (Screw-driving) von Fahrrädern den Antidumpingzoll zu umgehen. In 2019 wurde zuletzt die fünfjährige Verlängerung beschlossen. Außerdem wurde die Anwendung regional ausgeweitet auf die Länder Indonesien, Malaysia, Sri Lanka. Tunesien, Kambodscha, Pakistan und die Philippinen.

Auch vor dem technischen Fortschritt machte diese Regelung nicht halt. Der Antidumpingzoll wird seit 2019 auch auf Fahrräder mit Hilfsmotor, sogenannte E-Bikes mit Ursprung in der VR China ausgeweitet. Das betrifft nur die E-Bikes selbst, nicht jedoch die wesentlichen Fahrradteile, die in E-Bikes eingebaut werden.

Nun gibt es zahlreiche Möglichkeiten, diesen Antidumpingzoll zu reduzieren bzw. sich davon vollständig befreien zu lassen:

  • Es existiert die Möglichkeit der vollständigen Befreiung vom Antidumpingzoll auf wesentliche Fahrradteile nach der Verordnung (EG) 88/97, nämlich dann, wenn der Antragsteller nachweist, dass im Rahmen der Produktion in der EU den Teilen mit chinesischem Ursprung mindestens 25 % Wertzuwachs verliehen wird, oder dass die Produktion des Fahrrades mit mehr als 40 % von Teilen nicht chinesischen Ursprungs erfolgte. Dieses Befreiungsverfahren wird von der EU-Kommission geführt und das Ergebnis im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Es sind in einem solchen Verfahren etliche weitere Voraussetzung und Formalien nachzuweisen. Insbesondere ist ein Bewilligungsantrag nur dann möglich, wenn das jeweilige Unternehmen in den letzten sechs Monaten vor Antragstellung nicht weniger als 300 Fahrräder pro Monat produziert hat.
  • Für Unternehmen oder Personen, die weniger als 300 Fahrräder produzieren, gibt es andere Befreiungsmöglichkeiten auf Ebene des örtlichen Hauptzollamtes mit dann zu erfüllenden weiteren Bedingungen.
  • Für E-Bikes ist zu beachten, dass lediglich die Einfuhr von Fahrrädern den Antidumpingzoll auslöst. Die Einfuhr von Fahrradteilen zum Einbau in E-Bikes unterfällt per se nicht dem Antidumpingzoll. Hier muss aufgrund identischer Zolltarifnummern die Befreiung auf Ebene des Hauptzollamts beantragt werden. Unternehmen, die beides herstellen, können seit der Durchführungsverordnung 2020/1296 die befreit importierten wesentlichen Fahrradteile auch für die Produktion von E-Bikes verwenden. Solche Unternehmen, die nur E-Bikes herstellen, haben sich einer nationalen Endverwendungsbewilligung zu bedienen, die vom örtlichen Hauptzollamt erteilt wird.

Gerade dieser Unterschied wird von der LEVA-EU, einem europäischen Handelsverband, in einer Mitteilung von Ende letzten Jahres beklagt. Obwohl die EU-Kommission in einem direkten Schreiben an den Verband bestätigt habe, dass Fahrradteile für E-Bikes nicht unter den Antidumpingzoll fallen, sei es bei vielen Mitgliedsunternehmen zu beobachten, dass Zusatzzölle oder zumindest eine Sicherheit dafür von den Zollbehörden verlangt werde. Eine schwierige Situation, die die deutsche Zollverwaltung auf ihrer Internetseite www.zoll.de ausdrücklich aufgreift und erläutert, wie man eine solche Endverwendungsbewilligung erhalten kann, um die Entrichtung von Antidumpingzöllen auf Teile für E-Bikes zu verhindern.

Eine Herausforderung für alle Unternehmen der Fahrradbranche. Der Teufel steckt hier im Detail. Es gibt zahlreiche Einzelvoraussetzungen und besondere Fragestellungen, die es zu beachten gilt. Es scheint, als ob es für keine Antidumpingmaßnahmen mehr Einzelfallregelungen und Gerichtsurteile in den letzten Jahren gegeben hat als für die Antidumping-Maßnahme auf Fahrräder. Die Rechtslage ändert sich zudem gefühlt jedes halbe Jahr.

Es macht um so problematischer, dass die Zollverwaltung dieses Thema in 2023 im Prüfungsdienst aufzugreifen scheint und antritt, bei Fahrradmontagebetrieben in Deutschland Kontrollen über den richtigen Umgang mit den Antidumpingzöllen und den Befreiungsmöglichkeiten anzustrengen. Wir können allein im Januar von mehreren Kontrollmaßnahmen und angekündigten Zollprüfungen bei Fahrradproduzenten berichten. Wir empfehlen, die Fragestellungen vor Beginn der Zollprüfung zu klären. Gerne sind wir Ihnen hier behilflich.

Trotzdem verhält es sich in dieser komplexen zollrechtlichen Materie des Antidumpingzolls auf Fahrräder und wesentliche Fahrradteile wie mit dem Fahrradfahren selbst. Es überwiegt der Spaß mit dem Fahrzeug, oder wie es Desmond Tutu ausdrückte:

„Gib einem Menschen einen Fisch und er kann sich einen Tag ernähren. Lehre einem Menschen das Fischen und er kann sich sein Leben lang ernähren. Lehre einem Mann das Radfahren und er merkt, dass das Fischen ein langweiliger Zeitvertreib ist.“ (Desmond Tutu).

Beide Zitate aus: www.careelite.de