07.02.2022 08:14 Alter: 2 yrs
Kategorie: Zoll

Antidumpingzoll – Anwendungsbereich und praktische Auswirkungen

Wenn Waren bei der Einfuhr über die TARIC-Codierung mit einem Antidumpingzoll belegt werden, besteht häufig Streit darüber, ob die Waren allein durch die angemeldete Zolltarifnummer in den Anwendungsbereich einer Antidumpingzollverordnung gelangen, oder ob dieser Automatismus nicht immer greift. Dazu hat der EuGH ein interessantes Urteil gefällt, das nachfolgend dargestellt und auf dessen praktische Auswirkungen eingegangen wird.

Das Urteil des EuGH vom 15. Juli 2021 (C-362/20 - Profit Europe und Gosselin Forwarding Services) betraf den Zusammenhang zwischen den Erkenntnissen aus einem Urteil zur zolltariflichen Einreihung einer Ware und der Auslegung von Antidumpingverordnungen. Die Angelegenheit wurde im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV vom Hof van beroep te Antwerpen (Appellationshof Antwerpen, Belgien) beim EuGH eingereicht.

Sachverhalt

Im zu entscheidenden Fall wurden Profit Europe, ein belgischer Einführer und Gosselin, eine belgische Gesellschaft, die Zollanmeldungsdienstleistungen erbringt, beschuldigt, bei der Einfuhr von Rohrform-, Rohrverschluss- und Rohrverbindungsstücken, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit, aus China, mehrere Zuwiderhandlungen gegen die zollrechtlichen Vorschriften begangen zu haben. Es wurde ihnen vorgeworfen, bei bestimmten Einfuhren aus China die Zahlung von Antidumpingzöllen umgangen zu haben, indem sie die fraglichen Rohrform-, Rohrverschluss- und Rohrverbindungsstücke unter einem falschen Tarifcode und unter einer falschen Bezeichnung angemeldet hätten.

Zu den Einfuhranmeldungen von Profit Europe stellte das vorlegende Gericht fest, dass alle zunächst, bis zum 19. November 2012, stets als aus verformbarem Gusseisen hergestellt (Unterposition 7307 19 10 der KN) angemeldet worden seien. Sodann seien solche Rohrstücke in der Zeit vom 19.12.2012 bis zum 27.10.2014 71-mal unter der KN-Unterposition 7307 19 10 betreffend Rohrstücke aus verformbarem Gusseisen und achtmal unter der Unterposition 7307 11 10 betreffend Rohrstücke aus nicht verformbarem Gusseisen für Rohre von der für Druckleitungen verwendeten Art angemeldet worden. Schließlich hätten Profit Europe und Gosselin die fraglichen Rohrstücke ab dem 28.10.2014 ausschließlich als unter die Unterposition 7307 11 10 fallend angemeldet.

In der endgültigen Verordnung wurden diese Waren so beschrieben, dass sie „derzeit ... unter den [KN-Code] ex 7307 19 10 (TARIC-Code 7307191010) ... eingereiht werden“, und unterlagen für Waren aus China einem Antidumpingwertzollsatz von 57,8 % und für Waren aus Thailand einem Antidumpingwertzollsatz von 15,5 %.

Außerdem wies das vorlegende Gericht darauf hin, dass während der Geltungsdauer der Antidumpingzölle alle Fittings und Rohrstücke als nicht mit Gewinde versehen angemeldet worden seien, während sechs Arten eingeführter Waren tatsächlich mit Gewinde versehen gewesen seien und daher Antidumpingzöllen unterlegen hätten.

Im März 2014 stellte Profit Europe bei der Centrale Administratie der Douane en Accijnzen zisen, Belgien (im Folgenden: Zollverwaltung) mehrere Ersuchen um verbindliche Zolltarifauskünfte über die zolltarifliche Einreihung der betreffenden Waren. Die Zollverwaltung erteilte sechs verbindliche Zolltarifauskünfte, die den Tarifcode 7307 11 11 00 (gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus nicht verformbarem Gusseisen) anführten. Ferner erteilte die Zollverwaltung 20 verbindliche Zolltarifauskünfte, in denen sie den Tarifcode 7307 19 10 00 (gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen) oder den Tarifcode 7307 19 10 90 (Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke aus verformbarem Gusseisen ohne Gewinde) angab.

Im April 2015 nahm die Zollverwaltung die erteilten Zolltarifauskünfte zurück und reihte die von ihnen betroffenen Waren in die Unterposition 7307 19 10 der KN ein, wobei sie den Tarifcode 7307 19 10 und den TARIC-Code 7307 19 10 90 als zutreffenden Tarifcode („Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke aus verformbarem Gusseisen ohne Gewinde“) nannte. In beiden Bescheiden wurde auf die KN-Erläuterung zur Position 7307 19 10 verwiesen, wonach der Begriff „verformbares Gusseisen“ auch Gusseisen mit Kugelgrafit umfasse, sowie auf die Schlussfolgerungen der 140. Sitzung des Ausschusses für den Zollkodex, die im Wesentlichen das weite Verständnis dieses Begriffs bestätigten.

Die Widersprüche von Profit Europe gegen diese Bescheide blieben erfolglos, sodass Profit Europe bei der Nederlandstalige rechtbank van eerste aanleg Brussel (Niederländischsprachiges Gericht Erster Instanz Brüssel, Belgien) Klage gegen die einzelnen Bescheide erhob.

Hinzu kam, dass am 24. Februar 2017 bei der Rechtbank van eerste aanleg Antwerpen, afdeling Antwerpen (Gericht Erster Instanz Antwerpen, Abteilung Antwerpen, Belgien), u. a. wegen der Anmeldung unter einem falschen Tarifcode und unter einer falschen Bezeichnung ein Strafverfahren gegen Profit Europe und Gosselin eingeleitet wurde.

Während dieses Verfahren lief, ersuchte die Nederlandstalige rechtbank van eerste aanleg Brussel (Niederländischsprachiges Gericht Erster Instanz Brüssel) mit zwei Entscheidungen vom 16. Juni 2017 den Gerichtshof um Vorabentscheidung, und zwar in zwei Rechtssachen, in denen das Urteil vom 12. Juli 2018, Profit Europe (C‑397/17 und C‑398/17), ergangen ist.

In diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke aus Gusseisen mit Kugelgrafit in die Auffangposition 7307 19 90 der KN („andere Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, aus Eisen oder Stahl“) einzureihen sind, was im Wesentlichen bedeutet, dass sowohl die von Profit Europe vorgeschlagene als auch die vom belgischen Staat vorgenommene Einreihung unzutreffend war.

Im Anschluss an das Urteil vom 12. Juli 2018, Profit Europe (C‑397/17 und C‑398/17), wurden in den beiden Rechtssachen Vergleichsanträge bei der Rechtbank van eerste aanleg Brussel (Gericht Erster Instanz Brüssel) gestellt, nach denen der belgische Staat seinen Standpunkt in diesen Verfahren aufgab und Profit Europe in beiden Fällen Prozessentschädigung gewährt wurde.

Mit Urteil vom 28. März 2019 sprach die Rechtbank van eerste aanleg Antwerpen, afdeling Antwerpen (Gericht Erster Instanz Antwerpen, Abteilung Antwerpen) zum einen Profit Europe und Gosselin in Bezug auf die Anmeldung unter einem falschen Tarifcode und unter einer falschen Bezeichnung frei und erklärte zum anderen die Steuerklage der Zollverwaltung für zulässig, aber unbegründet.

Am 16. April 2019 legten die Staatsanwaltschaft und der Föderale Öffentliche Dienst Finanzen gegen dieses Urteil Berufung beim Hof van beroep te Antwerpen (Appellationshof Antwerpen, Belgien) ein.

Dieses Gericht wies erstens darauf hin, dass im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 2018, Profit Europe (C‑397/17 und C‑398/17), die KN-Erläuterung zur Unterposition 7307 19 10 geändert und die Form‑, Verschluss- und Verbindungsstücke aus Gusseisen mit Kugelgrafit daraus gestrichen worden seien. Außerdem sehe die Erläuterung zur Unterposition 7307 19 90 vor, dass zu dieser nunmehr auch Form‑, Verschluss- und Verbindungsstücke aus Gusseisen mit Kugelgrafit gehörten.

Zweitens wies es darauf hin, dass Art. 1 Abs. 1 der endgültigen Verordnung durch die Durchführungsverordnung 2019/262 dahin geändert worden sei, dass die erfassten Einfuhren nunmehr „[gegossene] Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus Temperguss und aus Gusseisen mit Kugelgrafit …, die derzeit unter den KN-Codes ex 7307 19 10 (TARIC‑Code 7307191010) und ex 7307 19 90 (TARIC‑Code 7307199010) eingereiht werden“, beträfen.

Folglich stelle sich die Frage nach dem Zusammenhang zwischen den Erkenntnissen aus diesem Urteil im Bereich der Zölle und der Auslegung der vorläufigen und der endgültigen Antidumpingverordnung in der vor der Änderung der endgültigen Verordnung im Jahr 2019 geltenden Fassung. Da der Gerichtshof nämlich entschieden habe, dass Gusseisen mit Kugelgrafit nicht unter die KN-Unterposition 7307 19 10 falle, sei fraglich, ob die beiden Verordnungen, die ausdrücklich diese Unterposition beträfen, gleichwohl auf die Einfuhren von gegossenen Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit angewandt werden könnten.

Unter diesen Umständen hat der Hof van beroep te Antwerpen (Appellationshof Antwerpen) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„Gelten für gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit aus China Antidumpingzölle nach der vorläufigen Verordnung und der endgültigen Verordnung, obwohl der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 12. Juli 2018, Profit Europe (C‑397/17 und C‑398/17), entschieden hat, dass es sich bei gegossenen Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken aus Gusseisen mit Kugelgrafit nicht um gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke aus verformbarem Gusseisen handelt und dass gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke aus Gusseisen mit Kugelgrafit unter eine andere Unterposition fallen als gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke aus verformbarem Gusseisen?“

Antwort des EuGH

Der EuGH beantwortete die Vorlagefrage wie folgt:

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die vorläufige Verordnung und die endgültige Verordnung in ihrer Fassung vor den Änderungen durch die Durchführungsverordnung 2019/262 dahin auszulegen sind, dass die mit diesen Verordnungen eingeführten vorläufigen und endgültigen Antidumpingzölle für gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit mit Ursprung in China gelten.

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 14 Abs. 1 der Grundverordnung (gemeint ist die Antidumping-Grundverordnung VO (EG) 1225/2009 (nicht mehr in Kraft) heute: VO (EU) 2016/1036) Antidumpingzölle durch Verordnung eingeführt und von den Mitgliedstaaten in der Form, zu dem Satz und nach den sonstigen Modalitäten erhoben werden, die in der Verordnung zur Einführung dieser Zölle festgelegt sind, und zwar unabhängig von den Zöllen, Steuern und anderen normalerweise bei der Einfuhr geforderten Abgaben.

Zudem geht insbesondere aus Art. 1 und Art. 9 Abs. 4 der Grundverordnung hervor, dass nur Waren, die Gegenstand einer Antidumpinguntersuchung waren, Antidumpingmaßnahmen unterworfen werden können, sofern festgestellt wurde, dass die fraglichen Waren zu einem niedrigeren Preis als die von der Antidumpinguntersuchung erfassten gleichartigen Waren in die Union ausgeführt werden (Urteil vom 18. April 2013, C-595/11, Steinel Vertrieb).

Nach Art. 14 Abs. 2 der Grundverordnung müssen die Verordnungen zur Einführung vorläufiger oder endgültiger Antidumpingzölle u.a. eine Beschreibung der Waren enthalten. Um die Waren, auf die der Antidumpingzoll erhoben werden soll, zu bestimmen, werden sie in den verfügenden Teilen der Antidumpingverordnungen insbesondere anhand der Tarifunterposition der KN, in die sie gehören, beschrieben. Eine solche Bezugnahme reicht jedoch nicht immer aus, um die von der Antidumpingregelung erfassten Waren genau bestimmen zu können, da es dem Wortlaut dieser Unterpositionen an Genauigkeit fehlen kann. Daher beschreibt der verfügende Teil einer Antidumpingverordnung die zu besteuernden Waren unter Heranziehung zusätzlicher Unterscheidungskriterien. Eine Ware muss nur dann versteuert werden, wenn sie in die KN-Unterposition eingereiht wird, die in einer Antidumpingverordnung genannt ist, und zugleich alle Merkmale der betreffenden Ware aufweist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist (Urteil vom 18. April 2013, C-595/11, Steinel Vertrieb).

Die etwaige Einreihung einer Ware in eine bestimmte Tarifposition führt jedoch nicht ohne Weiteres dazu, dass die Ware dem Antidumpingzoll unterliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. April 2013, C-595/11, Steinel Vertrieb und die dort angeführte Rechtsprechung).

Daher ist bei neuartigen Waren außerdem zu prüfen, ob sie die gleichen technischen und physischen Merkmale, die gleichen grundlegenden Endverwendungen und das gleiche Verhältnis zwischen Qualität und Preis wie die Waren aufweisen, die von den fraglichen Antidumpingverordnungen erfasst werden. Dabei sind auch die Austauschbarkeit und der Wettbewerb zwischen diesen Waren zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. April 2013, C-595/11, Steinel Vertrieb).

Eine Auslegung der Antidumpingverordnungen, die eine Ausweitung der Anwendung der Antidumpingmaßnahmen auf neuartige Waren bewirken würde, die zwar die gleichen wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale wie die in diesen Verordnungen genannten aufweisen und zudem unter demselben KN-Code einzureihen sind, aber doch andersartige Waren sind, da sie zusätzliche Merkmale aufweisen, die in diesen Verordnungen nicht genannt sind, ist nicht mit dem Zweck und der Systematik der Grundverordnung vereinbar (vgl. entsprechend Urteile vom 18. April 2013, C-595/11, Steinel Vertrieb und vom 15. Oktober 2020, C-117/19, Linas Agro).

Um den Anwendungsbereich der vorläufigen und der endgültigen Verordnung, um die es im Ausgangsrechtsstreit geht, im Hinblick auf die von ihnen erfassten Waren bestimmen zu können, ist außerdem darauf hinzuweisen, dass bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen ist, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteile vom 20. Juni 2019, C-682/17, ExxonMobil Production Deutschland und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 12. September 2019, C-709/17 P, Kommission/Kolachi Raj Industrial und die dort angeführte Rechtsprechung).

Was den Wortlaut der vorläufigen und der endgültigen Verordnung in ihrer hier maßgeblichen Fassung angeht, so ergibt sich zum einen aus ihren Titeln wie auch aus ihrem Art. 1 Abs. 1, dass sie die Einfuhr von gegossenen Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen mit Ursprung in der Volksrepublik China und Thailand betrafen. In diesen Verordnungen hieß es außerdem, dass die betreffenden Erzeugnisse zur damaligen Zeit unter der KN-Unterposition 7307 19 10, genauer gesagt unter dem TARIC-Code 7307 19 10 10 eingereiht waren, der diese Unterposition nur durch Hinzufügung einer Unterteilung gemäß Art. 20 Abs. 6 Buchst. b des Zollkodex der Gemeinschaften und Art. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 2658/87 ergänzte.

Zum anderen wurde im 28. Erwägungsgrund der vorläufigen Verordnung ausdrücklich klargestellt, dass Rohrstücke mit Gewinde aus Gusseisen mit Kugelgrafit in den Anwendungsbereich des Verfahrens und der dort vorgesehenen Maßnahmen fallen, da sie dieselben materiellen Eigenschaften aufweisen wie die von der Untersuchung betroffenen verformbaren Rohrstücke mit Gewinde.

Daher bezeichnete der 28. Erwägungsgrund die Rohrstücke mit Gewinde aus Gusseisen mit Kugelgrafit als „gleichartige Ware“. Dieser Begriff wird in Art. 1 Abs. 4 der Grundverordnung als eine Ware definiert, die mit der betreffenden Ware identisch ist, d.h., ihr in jeder Hinsicht gleicht, oder, wenn es eine solche Ware nicht gibt, als eine andere Ware, die zwar der betreffenden Ware nicht in jeder Hinsicht gleicht, aber Merkmale aufweist, die denen der betreffenden Ware sehr ähnlich sind.

Insoweit sah die vorläufige Verordnung im Unterschied zu den Unterpositionen 7307 11 10, 7307 19 10 und 7307 19 90 der KN ein zusätzliches Unterscheidungskriterium im Sinne der in Rz. 55 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung vor, nämlich das Vorhandensein eines Gewindes bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rohrstücken, aufgrund dessen die aus diesen beiden Arten von Gusseisen hergestellten Stücke, wie sich aus dem 28. Erwägungsgrund der vorläufigen Verordnung ergibt, dieselben wesentlichen materiellen Eigenschaften aufwiesen.

Im Übrigen stand fest, dass es zum Zeitpunkt des Erlasses der vorläufigen und der endgültigen Verordnung in der Erläuterung zur Unterposition 7307 19 10 der KN hieß, dass der Begriff „verformbares Gusseisen“ auch Gusseisen mit Kugelgrafit umfasst. Darauf wurde auch im 28. Erwägungsgrund der vorläufigen Verordnung hingewiesen. Außerdem wurden die Feststellungen im 28. Erwägungsgrund der vorläufigen Verordnung im 13. Erwägungsgrund der endgültigen Verordnung bestätigt.

Folglich ist festzustellen, dass der verfügende Teil der vorläufigen und der endgültigen Verordnung, um die es im Ausgangsrechtsstreit geht, von Anfang an die Einfuhren gegossener Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen sowie gegossener Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit betraf.

Dies wird sowohl durch den Zusammenhang als auch durch die mit den Antidumpingverordnungen verfolgten Ziele bestätigt.

Allgemein ist darauf hinzuweisen, dass die Einführung von Antidumpingzöllen eine Schutzmaßnahme gegen unlauteren Wettbewerb ist, der sich aus Dumpingpraktiken ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2000, C-458/98 P, Industrie des poudres sphériques).

Die funktionelle Unabhängigkeit der Antidumpingmaßnahmen von der tariflichen Einreihung nach der KN und von dem Gemeinsamen Zolltarif in Form des TARIC ergibt sich auch aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 der Grundverordnung, wonach Antidumpingzölle unabhängig von den Zöllen, Steuern und anderen normalerweise bei der Einfuhr geforderten Abgaben erhoben werden.Außerdem ist diese Unabhängigkeit die logische Folge der besonderen Natur des Verfahrens zur Einführung von Antidumpingzöllen als handelspolitische Maßnahme gegen außerhalb der Union ansässige Unternehmen.

Hierzu ist festzustellen, dass die Bezeichnung der einschlägigen KN-Unterpositionen und TARIC-Codes in den Antidumpingverordnungen nur Hinweischarakter hat, um die von den Antidumpingmaßnahmen betroffene Ware zu bestimmen.

Im vorliegenden Fall wurde dies in der Bekanntmachung der Einleitung des Antidumpingverfahrens (ABl. 2012 Nr. C 44, 33) klargestellt, in der es hieß, dass „[es sich bei] der angeblich gedumpten Ware ... um die untersuchte Ware mit Ursprung in der Volksrepublik China, Thailand und Indonesien [handelt], die derzeit unter dem KN-Code ex 7307 19 10 eingereiht wird“, mit dem Hinweis, dass „[d]er KN-Code ... nur informationshalber angegeben [wird]“.

Insoweit geht aus der Verwendung des Adverbs „derzeit“ sowohl in dieser Bekanntmachung als auch in der vorläufigen und der endgültigen Verordnung hervor, dass der Unionsgesetzgeber bereits die Möglichkeit einer späteren Änderung der zolltariflichen Einreihung in Betracht zog.

Dies steht auch im Einklang mit Art. 20 Abs. 1 und 2 des Zollkodex der Gemeinschaften, der hier anwendbar ist. Aus dieser Bestimmung ergibt sich nämlich zum einen, dass sich die bei Entstehung einer Zollschuld gesetzlich geschuldeten Abgaben auf den Zolltarif der Union stützen. Zum anderen werden die sonstigen durch besondere Unionsvorschriften erlassenen Maßnahmen im Warenverkehr, d.h. nicht tarifäre Maßnahmen wie die Antidumpingzölle, nur „gegebenenfalls“ auf der Grundlage der zolltariflichen Einreihung der betreffenden Waren angewandt.

In diesem Zusammenhang kann sich ein Urteil des Gerichtshofs, das, wie es beim Urteil vom 12. Juli 2018 (C-397/17 und C-398/17, Profit Europe) der Fall ist, nur die zolltarifliche Einreihung einer Ware betrifft, die im Übrigen von den Antidumpingverordnungen erfasst wird, als solches nicht auf deren Anwendungsbereich auswirken.

Zur Durchführungsverordnung 2019/262, mit der die endgültige Verordnung im Anschluss an das Urteil vom 12. Juli 2018 (C-397/17 und C-398/17, Profit Europe) geändert wurde, ist festzustellen, dass die mit ihr vorgenommenen Änderungen der Bestimmungen der endgültigen Verordnung nur dazu dienten, die angeführten KN- und TARIC-Codes an die in diesem Urteil als richtig erkannte Auslegung der Unterpositionen 7307 11 10, 7307 19 10 und 7307 19 90 der KN in Bezug auf die Waren anzupassen, die von Anfang an von den Antidumpingverordnungen erfasst waren.

Beantwortung der Vorlagefrage:

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die vorläufige und die endgültige Verordnung in ihrer Fassung vor den Änderungen durch die Durchführungsverordnung 2019/262 dahin auszulegen sind, dass die mit diesen Verordnungen eingeführten vorläufigen und endgültigen Antidumpingzölle für gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit mit Ursprung in China gelten.

Anmerkungen und praktische Auswirkungen

Der Streitfall betraf eine Ausgangssituation, in der die Ware nach einer gerichtlichen Entscheidung in eine Zolltarifnummer einzureihen war, die nicht ausdrücklich in der Antidumpingverordnung genannt war. Das Gericht stellt in diesem Zusammenhang klar, dass eine gerichtliche Entscheidung, die nur die zolltarifliche Einreihung der Waren betrifft, sich nicht auch auf den Anwendungsbereich einer Antidumpingverordnung auswirken kann, denn die Bezeichnung der einschlägigen KN-Unterpositionen und TARIC-Codes in den Antidumpingverordnungen habe lediglich einen „Hinweischarakter“, damit die davon umfasste Ware bestimmt werden könne.

Bedeutsam sind aber auch die grundsätzlichen Ausführungen des EuGH zu Antidumpingmaßnahmen, denn er sieht Antidumpingmaßnahmen als funktionell unabhängig an.

Im Verfahren wurde u.a. vorgetragen, dass die Erwägungsgründe nicht verwendet werden dürften, um den Anwendungsbereich einer Verordnung auszuweiten und sie so auszulegen, dass sie dem Wortlaut offensichtlich widersprechen würden.

Dies sah der EuGH anders, denn ihm kam es für die Beurteilung, ob eine Ware Antidumpingzöllen unterfällt, darauf an, daran festzumachen, welche Waren tatsächlich Gegenstand einer Antidumpinguntersuchung der Europäischen Kommission waren und somit nach der Ermächtigungsgrundlage in Art. 1 Abs. 1 der Grundverordnung Antidumpingmaßnahmen unterworfen werden können. Er weist dem Wortlaut der KN-Positionen lediglich einen „Hinweischarakter“ zu. Dies bedeutet, dass der warenbezogene Anwendungsbereich der entsprechenden Verordnung durch Auslegung zu bestimmen ist. Dazu zieht er aber auch die Erwägungsgründe sowie die entsprechend gültigen KN-Erläuterungen sowie die Bekanntmachung der Einleitung des Antidumpingverfahrens heran.

Dies entspricht auch der bereits in dem Urteil „Steinel Vertrieb“ vertretenen Sichtweise des EuGH. Darin hatte der EuGH ausgeführt, dass der verfügende Teil der Verordnung die Waren zwar anhand der entsprechenden KN-Unterpositionen beschreibe, aber unterschiedliche Unterscheidungskriterien herangezogen werden können, wenn es an einer Genauigkeit in den einzelnen Unterpositionen fehle.

Dennoch ist eine Grenze zu ziehen, wo der Anwendungsbereich einer Verordnung extensiv ausgeweitet wird, denn wie der EuGH unter Hinweis auf Art. 1 und Art. 9 Abs. 4 der Grundverordnung ausführte, sind nur Waren, die Gegenstand einer Antidumpinguntersuchung waren, Antidumpingmaßnahmen unterworfen, sofern festgestellt wurde, dass die fraglichen Waren zu einem niedrigeren Preis als die von der Antidumpinguntersuchung erfassten gleichartigen Waren in die Union ausgeführt werden (Urteil vom 18. April 2013, C-595/11, Steinel Vertrieb).

So muss eine Ware auch nur dann mit einem Antidumpingzoll belegt werden, wenn sie in die KN-Unterposition eingereiht wird, die in einer Antidumpingverordnung genannt ist, und zugleich alle Merkmale der betreffenden Ware aufweist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist (Urteil vom 18. April 2013, C-595/11, Steinel Vertrieb). Lediglich die Einreihung einer Ware in eine bestimmte Tarifposition führt nicht ohne Weiteres dazu, dass die Ware dem Antidumpingzoll unterliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. April 2013, C-595/11, Steinel Vertrieb und die dort angeführte Rechtsprechung).

Diese Ausführungen bestätigen, dass ein Automatismus, dass eine Ware, die in eine Tarifposition eingereiht wird, die von einer Antidumpingverordnung erfasst ist, auch automatisch mit einem Antidumpingzoll belegt ist, nicht in dieser Form Gültigkeit hat. Oft ist es zolltariflich so, dass für Waren (leider) keine andere Tarifposition zur Verfügung steht, sie aber eigentlich eher nicht in diese Tarifposition gehört und sich einfach nur dort befindet, weil alle anderen Tarifpositionen „noch unzutreffender“ wären. Dies war in der Vergangenheit z.B. bei LEDs der Fall oder auch in dem Urteil „Steinel Vertrieb“, in dem eine bereits bestehende Ware zusätzlich mit einem neuartigen Mechanismus ausgestattet wurde, wobei es dann darauf ankam, ob die Ware mit diesem Mechanismus dennoch unter die entsprechende Verordnung fallen sollte.

Gerade bei neuartigen Waren kommt es daher darauf an, ob sie die gleichen technischen und physischen Merkmale, die gleichen grundlegenden Endverwendungen und das gleiche Verhältnis zwischen Qualität und Preis wie die Waren aufweisen, die von den fraglichen Antidumpingverordnungen erfasst werden. Dabei sind auch die Austauschbarkeit und der Wettbewerb zwischen diesen Waren zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. April 2013, C-595/11, Steinel Vertrieb).

Somit besteht bei Waren, die zwar der in einer Antidumpingverordnung genannten Tarifposition unterfallen, durchaus die Möglichkeit, dass sie nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen können. Allerdings kann der Anwendungsbereich, wie im vorliegenden Fall, auch über den Wortlaut im Sinne der tariflichen Einreihung hinausgehen.

Wir haben bereits Verfahren geführt, bei denen dieser Ansatz (Anwendungsbereich) erfolgreich war. Wenn die Ware „nur“ über die Zolltarifnummer in den Anwendungsbereich der Verordnung gelangt, die Ware aber eigentlich nicht in den Anwendungsbereich gehört, da sie nach den Kriterien des EuGH nicht darunter fallen soll, dann kann eine Ware nicht mit einem Antidumpingzoll belegt werden.

Leider ist dies immer auf den jeweiligen Einzelfall bezogen zu prüfen und kann nicht anhand pauschaler Aussagen erfolgen. Grundsätzlich sollte aber bei Antidumpingzöllen geprüft werden, ob der Ansatz dieser Zölle richtig ist, denn häufig tritt die Situation in Tarifstreitigkeiten ein, wenn z.B. eine Ware in einer Zollprüfung anders eingereiht wird und dann zusätzlich nachträglich mit einem Antidumpingzoll lediglich über die TARIC-Nummer belegt wird. In solchen Fällen ist die Ware in der Regel bereits lange verkauft und der zusätzliche Antidumpingzoll kann zu einem ernsthaften wirtschaftlichen Problem führen, wenn er auf niemanden mehr abgewälzt werden kann und er selbst getragen werden muss.

Zudem bestehen auch häufig die Probleme bei Antidumpingzöllen, dass die zusätzliche Erhebung von Antidumpingzöllen die Ware nahezu unverkäuflich machen kann, insbesondere wenn Mitbewerber – aus welchen Gründen auch immer – eine Ware zu einem deutlich niedrigeren Preis anbieten kann.

Auch die vielfach als „Königsweg“ angesehene Möglichkeit, eine verbindliche Zolltarifauskunft für Waren zu beantragen und Rechtssicherheit zu erlangen, ist vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH eher fragwürdig, denn in Bezug auf den Anwendungsbereich von Antidumpingmaßnahmen kann „nur“ die zolltarifliche Einreihung im Einzelfall keine Rolle spielen und gewiss keine Rechtssicherheit bringen. Es bleibt daher weiterhin eine Herausforderung, entsprechende Auslegungen zu betreiben, was selbstverständlich neben dem abgabenrechtlichen Risiko auch strafrechtliche Risiken birgt, wie man auch an der vorliegenden Entscheidung erkennen kann.

Verfasser: Rechtsanwalt Heiko Panke