02.06.2022 10:54 Alter: 2 yrs
Kategorie: Zoll
Von: Rechtsanwältin Almuth Barkam

Die Hinzurechnung von Kosten in den Zollwert kostenloser Beistellungen

Die Bestimmung des Zollwerts einer Einfuhrware gehört für viele importierende Unternehmen zum täglichen Geschäft.

Zugleich ist das Zollwertrecht ein recht komplexes Rechtsgebiet, das zum einen sehr gute Fachkenntnisse der Mitarbeiter voraussetzt, die Zollwerte bemessen müssen. Zum anderen setzt es rein praktisch voraus, dass ein Unternehmen so organisiert ist, dass die Informationen, welche Kosten bei der Herstellung einer Ware im Drittland zu berücksichtigen sind, auch bei der Person ankommt, die den Zollwert anmeldet. Was trivial klingt, ist auch in Unternehmen mit gut organisierten Zollabteilungen nicht immer selbstverständlich. Denn das Wissen, ob Lizenzverträge vereinbart oder Versicherungsverträge geändert wurden, besteht oftmals in ganz anderen Abteilungen als der Zollabteilung. Wichtig ist, dass in solchen Konstellationen ein Informationsaustausch zwischen den betroffenen Abteilungen des Unternehmens stattfindet (Zollwert-Compliance!). Selbst die geschultesten Mitarbeiter einer Zollabteilung können Zollwerte nicht korrekt bestimmen, wenn ihnen die notwendigen Informationen über die Positionen, die zusätzlich zu berücksichtigen sind, nicht vorliegen.        

Den meisten Einfuhrvorgängen liegt ein grenzüberschreitendes Kaufgeschäft zugrunde. In diesen Fällen erfolgt die Zollwertbestimmung auf der Grundlage des Transaktionswertes. Das ist der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, der erforderlichenfalls anzupassen ist (Art. 70 Abs. 1 UZK). Was im Rahmen dieser "Anpassung" zu berücksichtigen – i.d.R also hinzuzurechnen – ist, zählt Art. 71 Abs. 1 UZK auf: Provisionen und Maklerlöhne mit Ausnahme von Einkaufsprovisionen, Kosten von Umschließungen, Verpackungskosten, Lizenzgebühren, Beförderungs- und Versicherungskosten bis zum Ort des Verbringens der Waren in das Zollgebiet der Union etc. Art. 72 UZK führt einzelne Positionen auf, die nicht in den Zollwert einzubeziehen sind (z.B. Beförderungskosten nach dem Eingang der Waren in das Zollgebiet der Union, Einkaufsprovisionen etc.).

Besonders schwierig und fehleranfällig in der Umsetzung ist der Hinzurechnungstatbestand des Art. 71 Abs. 1 Buchst. b) UZK, der definiert, welche Werte von Gegenständen und Leistungen, die zur Herstellung der Einfuhrware unentgeltlich vom Käufer zur Verfügung gestellt werden, im Zollwert der Einfuhrware zu berücksichtigen sind. Gemeint sind damit die sog. "kostenlosen Beistellungen", die dem Hersteller im Drittland vom Käufer zur Verfügung gestellt werden. Hinzuzurechnen ist danach der Wert

  • der in der Einfuhrware enthaltenen Materialien, Bestandteile, Teile und dergleichen (Ziff. i),
  • der bei der Herstellung verwendeten Werkzeuge, Matrizen, Gussformen und dergleichen (Ziff. ii),
  • der bei der Herstellung verbrauchten Materialien (Ziff. iii),
  • der für die Herstellung notwendigen Techniken, Entwicklungen, Entwürfe, Pläne und Skizzen, die außerhalb der Union erarbeitet worden sind.

Die Zollverwaltung legt den Begriff des "Wertes" der kostenlos beigestellten Gegenstände und Leistungen im Sinne dieser Vorschrift sehr weitgehend aus und bezieht sämtliche Kosten ein, die der Käufer aufbringen muss, um die Beistellungen herstellen zu können. Dies führt zu kuriosen Ergebnissen, denn die Zollverwaltung kommt im Rahmen ihrer Auslegung zu dem Ergebnis, dass z.B. Einkaufsprovisionen, die zur Beschaffung dieser kostenlos beigestellten Gegenstände im Drittland gezahlt werden, in den Zollwert der Beistellung einzurechnen sind, obgleich sie nach Art. 71 Abs. 1 Buchst. a) Ziff. i) UZK und Art. 72 Buchst. e) UZK eigentlich keine Berücksichtigung im Zollwert finden sollen.

Die Zollverwaltung stützt ihre Auslegung auf die Durchführungsregelung in Art. 135  UZK-DVO:

"(1) Liefert ein Käufer Gegenstände oder erbringt Leistungen, die in Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b des Zollkodex aufgeführt sind, so wird der Wert dieser Gegenstände und Leistungen mit ihrem Beschaffungspreis angesetzt. Der Beschaffungspreis schließt alle Zahlungen ein, die der Käufer der in Artikel 71 Abs. 1 Buchstabe b) aufgeführten Gegenstände oder Leistungen zu deren Beschaffung leisten muss."

Das Finanzgericht Düsseldorf hat diese Auffassung in seinem Urteil vom 11.08.2021 (Akz. 4 K 818/20 Z) bestätigt. Auf Grundlage dieser Auslegung hat das Gericht zugleich für Recht erkannt, das Kosten für Designvorlagen, die im Zollgebiet der Union entwickelt worden sind und zur Herstellung von Beistellungen verwendet werden, in den Zollwert einzurechnen sind, obgleich nach Art. 71 Abs. 1 Buchst. b) Ziff. iv) UZK solche Kosten im Zollwert der Einfuhrware nur zu berücksichtigen sind, wenn sie außerhalb der Union erarbeitet worden sind.

Die Auslegung der deutschen Zollverwaltung, die das FG Düsseldorf in seiner Entscheidung leider bestätigt hat, führt zu einer Berücksichtigung von Werten und Kosten im Zollwert, die nach hiesiger Auffassung vom Gesetzgeber so nicht gewollt ist. Nach dieser Betrachtung sind über den Beistellungstatbestand des Art. 71 Abs. 1 Bucht. b) UZK sämtliche Kosten und Werte in den Zollwert einzurechnen, auch wenn sie nach anderen Hinzurechnungstatbeständen – in diesem Fall Art. 71 Abs. 1 Buchst. a) Ziff. i) UZK und Art. 71 Abs. 1 Buchst. b) Ziff. iv) UZK – eigentlich keine Berücksichtigung im Zollwert der Einfuhrware finden sollen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das FG Düsseldorf die Revision zugelassen. Das Verfahren wird beim BFH unter dem Aktenzeichen VII R 28/21 mit der Revision fortgesetzt. Fazit:Die Bemessung von Zollwerten ist fehleranfällig. In Zollprüfungen führt die Überprüfung von Zollwerten immer wieder zu Streitigkeiten, gerade was die Berücksichtigung von Werkzeugkosten oder anderer Kosten im Zusammenhang mit kostenlos beigestellten Gegenständen und Leistungen betrifft. Wir empfehlen den Aufbau einer "Zollwert-Compliance": Holen Sie die betroffenen Abteilungen des Unternehmens an einen Tisch, schaffen Sie ein Bewusstsein im Unternehmen, dass der Informationsfluss zwischen den Abteilungen absolut notwendig ist, erstellen Sie Verfahrensanweisungen und überprüfen Sie die eingeführten Maßnahmen durch regelmäßige Audits. Gerne unterstützen wir Sie, wenn Sie entsprechende Maßnahmen in Ihrem Unternehmen umsetzen möchten.