02.11.2021 10:05 Alter: 2 yrs
Kategorie: Zoll
Von: Rechtsanwältin Julia Gnielinski

Einbeziehung von Kosten für Schadstoff- und Qualitätsprüfung in den Zollwert von Waren

Der BFH entschied mit Urteil vom 23. März 2021 (Az. VII R 24/19), dass Zahlungen, die der Einführer von Waren an einen im Drittland ansässigen Dritten für Schadstoff- und Qualitätsprüfungen gezahlt hat, um die Vertragskonformität der Waren sicherzustellen, in den Zollwert und damit in die Bemessungsgrundlagen der Zollschuld (Art. 214 Abs. 1 ZK) einzubeziehen seien.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin und Revisionsklägerin führte von 2013 bis 2016 aus der Volksrepublik China für sie dort hergestellte Waren ein und meldete diese zum zollrechtlich freien Verkehr an. Die Hersteller hatten sich gegenüber der Klägerin vertraglich verpflichtet, die Waren so zu liefern, dass sie den unionsrechtlichen Qualitätsanforderungen entsprechen, d.h. chemische Inhaltsstoffe innerhalb der zulässigen Grenzen bleiben. Die Hersteller der Waren sandten auf Anweisung der Klägerin Muster der zu produzierenden Waren an V, die für die Klägerin Schadstoff- und Qualitätsprüfungen vornahm. Erst nach diesen Proben und einer positiven Bestätigung durch V sollte die Produktion beginnen. Die Kosten für die Qualitätsprüfungen berechnete V monatlich an die Klägerin aufgrund des zwischen den beiden bestehenden Vertrags. Diese Kosten gab die Klägerin im Rahmen der Einfuhrzollanmeldung nicht an.

Das HZA als Beklagter und Revisionsbeklagter erhob die Kosten für die Materialprüfungen in zwei Bescheiden nach, weil es der Auffassung war, dass diese Kosten zum Zollwert der Waren gehörten. Dabei legte das HZA einen Zuschlagsatz von 2,03 % zugrunde, weil die von der V berechneten Kosten nicht konkreten Einfuhren zugeordnet werden konnten. Die Einspruchsverfahren blieben erfolglos. Das FG Düsseldorf (Urteil vom 05.11.2018, 4 K 3225/17 Z) lehnte die Klage ebenfalls ab und sah die Nacherhebung des Zolls über eine Ermittlung des Zollwerts nach Art. 31 Abs. 1 ZK bzw. Art. 74 Abs. 3 UZK als rechtmäßig an.

Die Klägerin sieht sich durch diese Vorentscheidung in ihren Rechten verletzt, weil die Analysekosten von ihr als Einführerin nicht vertraglich geschuldet waren und trotzdem dem einfuhrabgabenrechtlichen Transaktionswert nach Art. 29 Abs. 3 Buchst. a Satz 1 ZK hinzugerechnet würden. Dies gelte nach Auffassung des EuGH (Urteil vom 19.10.2000 - C-15/99, Sommer) nur, wenn Analysewerte als Bedingung für die Durchführung des Kaufgeschäfts einzustufen seien und die Analysedurchführung in den vertraglich geschuldeten Leistungsumfang des Verkäufers fiele. Warenanalysen aufgrund der kaufmännischen Entscheidung des Käufers fielen nicht darunter. Der Zollwert als Transaktionswert solle nicht alle Zahlungen umfassen, die der Käufer leiste, um die eingeführten Waren zu erhalten. Die Bedingung i.S. des Art. 29 Abs. 3 Buchst. a Satz 1 ZK setze einen zwingenden rechtlichen Zusammenhang zwischen der Zahlung und dem Kaufgeschäft voraus, der im Streitfall nicht gegeben sei, weil der Vertrag bereits mit der Ordererteilung zustande gekommen sei und die Beprobung nur der Einhaltung interner Qualitätsanforderungen und gesetzlich gebotener Obliegenheiten diene.

Das HZA wies darauf hin, dass der Zollwert den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert einer eingeführten Ware widerspiegeln solle und alle Elemente dieser Ware, die einen wirtschaftlichen Wert hätten, berücksichtigen müsse. Eine bereits auf Schadstofffreiheit und Einhaltung der Qualitätsvorgaben untersuchte bzw. analysierte Ware habe definitiv einen höheren wirtschaftlichen Wert als eine Ware von unbestimmter Qualität.

Das Urteil des BFH nimmt Bezug auf das EuGH-Urteil "Sommer", das bereits Analysekosten zum Nachweis der Konformität der eingeführten Waren mit den nationalen Rechtsvorschriften in den Zollwert einbezogen hat. Die Ermittlung des Zollwerts richte sich nach den in Art. 29 ff. ZK geregelten Methoden (vgl. Art. 28 ZK). Demnach ist die Transaktionswertmethode i.S. des Art. 29 ZK vorrangig anzuwenden. Kann der Zollwert nicht nach der Transaktionswertmethode ermittelt werden, kommen die in Art. 30 ZK beschriebenen Folgemethoden (nachrangigen Methoden) und die Schlussmethode i.S. des Art. 31 ZK zur Anwendung. Der Zollwert müsse den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert einer eingeführten Ware widerspiegeln und folglich alle Elemente dieser Ware, die einen wirtschaftlichen Wert haben, berücksichtigen, das heißt, er muss auch die Qualitätsprüfung beinhalten, die bereits erfolgt ist.

Der BFH übertrug die Wertungen des EuGH-Urteils auf den zu entscheidenden Fall, in dem die Warenanalysen noch vor Beginn der eigentlichen Herstellung der Waren im Drittland durchgeführt wurden. Ergebe sich aus der Vereinbarung zwischen dem Verkäufer und dem Käufer, dass der Verkäufer bestimmte Qualitätsanforderungen oder gesetzliche Vorgaben (Sicherheitsstandards) zu erfüllen habe, handele es sich nach Auffassung des BFH bei den Kosten für entsprechende Untersuchungen um "abgespaltene Kaufpreisbestandteile", die gemäß Art. 29 Abs. 3 Buchst. a ZK zum Transaktionswert gehören. Diese Zahlungen seien als Bedingung für das Kaufgeschäft über die eingeführten Waren anzusehen und dienten dazu, eine Verpflichtung des Verkäufers zu erfüllen. Zudem erhöhe sich infolge der Bescheinigung der Schadstofffreiheit und der qualitativen Anforderungen an die Ware deren wirtschaftlicher Wert.

Ob der Auftrag zur Durchführung der Analysen vom Verkäufer, vom Käufer oder vom Importeur erteilt wird, ist nach Auffassung des Gerichts dabei nicht ausschlaggebend, weil es sich in allen Fällen um Kosten handelt, die entstehen, um die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Anforderungen an die bestellten Waren zu überprüfen und sicherzustellen.

Der BFH bestätigte das Vorgehen des HZA, den Zollwert im Streitfall unter Anwendung der Schlussmethode i.S.d. Art. 31 ZK zu ermitteln und den Gesamtbetrag der Kosten für Qualitäts- und Schadstoffuntersuchungen auf die Einfuhren aufzuteilen. Der Rückgriff auf Art. 31 ZK führe nicht zu einer unzulässigen Vermischung der Transaktionswertmethode mit der Schlussmethode, sondern entspreche gerade deren Prinzip, die in den Art. 29 und 30 Abs. 2 ZK festgelegten Methoden angemessen flexibel heranzuziehen (Art. 141 Abs. 1 ZKDVO i.V.m. Anh. 23 zu Art. 31 Abs. 1 ZK).

Mit diesem Urteil entscheidet der BFH klar, dass Analyse- und Verprobungskosten auch dann zollwerterhöhend sind, wenn sie auf Grundlage eines - separaten - Vertrags entstanden sind, den die Käuferin mit demjenigen geschlossen hatte, der die Schadstoff- und Qualitätsprüfungen durchgeführt hat. Das Urteil zeigt einmal mehr die wirklich diffizile Abgrenzung bei der Berücksichtigung von Kosten für Analysen, Zertifizierungen und Qualitätsprüfungen. Die Zollverwaltung grenzt in ihrer Dienstvorschrift Zollwertrecht (Z 51 01) (Absatz 13, Fassung vom 15.09.2021) wie folgt ab:

"Zusätzliche Kontrollen des Käufers, die er aus eigenen Erwägungen und neben den zwischen ihm und dem Verkäufer bestehenden Vertragsregelungen durchführen lässt (z. B. vorweggenommene Eingangskontrolle oder Kontrollen, ob die eingeführten Waren ordnungsgemäß analysiert bzw. zertifiziert worden sind), sind hingegen nicht zollwertrelevant (siehe Abs. 15 Satz 1)."

Dieser Grat der Abgrenzung ist schmal...

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