01.03.2022 09:01 Alter: 2 yrs
Kategorie: Zoll
Von: Rechtsanwältin Almuth Barkam

EU-Richtlinienvorschlag über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen ("EU-Lieferkettengesetz")

Im Juni 2021 hat der deutsche Gesetzgeber das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – LkSG), verabschiedet (BGBl. Teil I Nr. 46 vom 22.07.2021). Es verpflichtet ab dem 01.01.2023 Unternehmen ab einer bestimmten Größe zur Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten (s. hierzu Infoletter Juli 2021).

Auf europäischer Ebene hat die EU-Kommission am 23.02.2022 einen Vorschlag für eine Richtlinie über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen angenommen. Die Richtlinie hat zum Ziel, ein nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Verhalten in den globalen Wertschöpfungsketten zu fördern, indem Unternehmen verpflichtet werden, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die Menschenrechte sowie auf die Umwelt zu ermitteln und erforderlichenfalls zu verhindern, abzustellen oder zu vermeiden (Proposal for a Directive on corporate sustainability due diligence).

Der europäische Richtlinienvorschlag geht dabei in weiten Teilen über die Regelungen des deutschen LkSG hinaus, sowohl was den Anwendungsbereich betrifft als auch einzelne Anforderungen an unternehmerische Sorgfaltspflichten.

Anwendungsbereich

Folgende Unternehmen sollen nach dem derzeitigen Vorschlag betroffen sein:

  1. EU-Unternehmen mit im Durchschnitt mehr als 500 Mitarbeitern und einem Netto-Jahresumsatz von mindestens 150 Mio. EUR weltweit
  2. andere Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern und einem Netto-Jahresumsatz von mindestens 40 Mio. EUR weltweit, sofern mindestens 50% dieses Umsatzes in bestimmten Wirtschaftszweigen erzielt wurden (z.B. Textil- und Lebensmittelindustrie, Gewinnung von Bodenschätzen)
  3. Unternehmen, die nach den Rechtsvorschriften eines Drittstaats gegründet wurden und einen Umsatz in Höhe der unter 1. bzw. 2. genannten Unternehmen innerhalb der EU erwirtschaften.  

Unternehmen, die sich bislang entspannt zurückgelehnt haben, weil sie die im deutschen LkSG zugrunde gelegte Größe – 3.000 im Inland beschäftigter Mitarbeiter ab dem 01.01.2023 bzw. 1.000 im Inland beschäftigte Mitarbeiter ab dem 01.01.2024 – nicht erreichen, sollten im Auge behalten, dass sie nach den geringeren Schwellenwerten des derzeitigen europäischen Vorschlags möglicherweise künftig betroffen sein können. Da es sich bei dem Legislativvorschlag der Kommission um eine Richtlinie handelt, muss diese nach deren Inkrafttreten noch in nationales Recht umgesetzt werden. Es ist davon auszugehen, dass das bestehende deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz entsprechend der europäischen Vorgaben angepasst werden wird.

Sorgfaltspflichten

Was die von den Unternehmen zu beachtenden Sorgfaltspflichten betrifft, finden sich im europäischen Entwurf viele der Elemente wieder, die die deutsche Regelung schon enthält:

  • Integration der Sorgfaltspflichten in die Unternehmenspolitik (Art. 5)
  • Identifizierung tatsächlicher und potenzieller negativer Auswirkungen (Art. 6)
  • Verhinderung und Minimierung potenzieller nachteiliger Auswirkungen (Art. 7)
  • Beendigung oder Reduzierung negativer Auswirkungen (Art. 8)
  • Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens (Art. 9)
  • Regelmäßige Kontrolle von Maßnahmen (Art. 10)
  • Veröffentlichung jährlicher Berichte auf Unternehmenshomepage (Art. 11)

Die Art. 12 bis 14 sehen einzelne Unterstützungsmaßnahmen für die Unternehmen durch die EU-Kommission (Veröffentlichung von Leitlinien, Mustervertragsklauseln) und die Mitgliedstaaten (spezielle Websites, Plattformen oder Portale) vor. Im Zusammenhang mit den beschriebenen Unterstützungsmaßnahmen wird betont, dass den KMU, die in den Wertschöpfungsketten der Unternehmen vertreten sind, besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird (Art. 14).  

Ähnlich der deutschen Regelung betont der europäische Richtlinienvorschlag die Verpflichtung der Geschäftsleitung eines Unternehmens, sich zur Einhaltung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Bezug auf menschen- und umweltrechtliche Risiken zu bekennen. Ein besonderer Aspekt, der sich von der deutschen Regelung abhebt, ist die Verpflichtung nach Art. 15, dass Unternehmen einen Plan verabschieden müssen, um sicherzustellen, dass das Geschäftsmodell und die Strategie des Unternehmens mit dem Übereinkommen von Paris vereinbar sind, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Betroffen sind Unternehmen mit mindestens 500 Mitarbeitern und einem Nettoumsatz von mindestens 150 Mio. nach Art. 2 Nr. 1 a) bzw. Nr. 2 a). Auf der Grundlage von Informationen, die dem Unternehmen nach vernünftigem Ermessen zur Verfügung stehen, soll in diesem Plan ermittelt werden, inwieweit der Klimawandel ein Risiko für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens darstellt oder sich auf diese auswirkt.

In der deutschen Regelung wird in § 3 Abs. 3 LkSG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Verletzung von Pflichten des LkSG keine (eigene) zivilrechtliche Haftung begründet. Es erfolgt ein Verweis auf die allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsregelungen. Der Richtlinienentwurf legt den Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass Unternehmen für Schäden haften, die durch eine Verletzung der festgelegten Sorgfaltspflichten eingetreten sind. Es bleibt abzuwarten, ob es aufgrund dieser Richtlinienvorgabe tatsächlich zu einer verschärften Haftungsregelung im deutschen LkSG kommen wird.    

Ähnlich der deutschen Regelung werden in einem Annex zum Richtlinienvorschlag verschiedene internationale Übereinkommen aufgelistet, die den Schutz von Menschen- und Umweltrechten enthalten und die nach der Richtlinie zu schützenden Positionen konkretisieren und damit „greifbarer“ machen.

Einschätzung und weiteres Vorgehen

Es bleibt spannend, welche Änderungen am derzeitigen Vorschlag noch vorgenommen werden und mit welchen Vorgaben die Richtinie letztendlich verabschiedet werden wird. Sollten keine grundlegenden Änderungen am Anwendungsbereich vorgenommen werden, werden deutlich mehr Unternehmen betroffen sein, als nach der aktuellen Fassung des deutschen LkSG. Inhaltlich sind die beschriebenen Sorgfaltspflichten recht vergleichbar, was bedeutet, dass Unternehmen, die nach dem deutschen LkSG betroffen sind, voraussichtlich keine wesentlichen Veränderungen an den bereits etablierten Compliance-Maßnahmen vornehmen müssen.

Der deutsche Gesetzgeber hatte davon abgesehen, eine zivilrechtliche Haftung im LkSG festzuschreiben, sondern sah den Rückgriff auf die bestehenden Haftungsregeln für ausreichend (s.o.). Wie die in der Richtlinie vorgesehene zivilrechtliche Haftung vom nationalen Gesetzgeber umgesetzt werden wird – sofern sie Inhalt der Regelung bleibt – und ob es hierdurch zu einer verschärften Haftungsregelung kommen wird, bleibt gleichsam abzuwarten.

Der nächste Schritt im Gesetzgebungsverfahren wird sein, dass der Kommissionsvorschlag dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Entscheidung vorgelegt wird. Die Mitgliedstaaten haben zwei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie Zeit, diese in nationales Recht umzusetzen.

Die Umsetzung von Compliance-Maßnahmen im Unternehmen lässt sich erfahrungsgemäß nicht von jetzt auf gleich erreichen, sondern bedarf eines gewissen Prozesses. Wir empfehlen Ihnen daher, sich frühzeitig auf die künftigen Regelungen vorzubereiten. Auch wenn bislang nur "die Großen" nach dem LkSG in die Pflicht genommen werden, erwartet die Bundesregierung auch von Unternehmen, die nicht direkt vom Anwendungsbereich des deutschen LkSG umfasst sind, dass Sie sich freiwillig an den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrecht (NAP) halten, mit dem die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte umgesetzt werden. Der NAP konkretisiert die Erwartungen der Bundesregierung an staatliche Institutionen und Unternehmen in Bezug auf den Schutz von Menschenrechten in Liefer- und Wertschöpfungsketten.

Gerne unterstützen wir Sie dabei, angemessene Compliance-Maßnahmen zur Beachtung dieser Prinzipien in Ihrem Unternehmen zu etablieren.