10.11.2022 10:15 Alter: 1 year
Kategorie: Zoll
Von: Rechtsanwalt Heiko Panke

FG Hamburg: Zum Beweiswert von OLAF-Berichten

Das Finanzgericht Hamburg hat sich in einer Entscheidung vom 03.08.2022 - 4 K 85/16 zum Beweiswert von OLAF-Berichten geäußert.

Die sog. OLAF-Berichte sind Berichte des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF). Dieses versucht auf sog. „Missionsreisen“ festzustellen, ob in Drittländern z.B. Umgehungshandlungen in Bezug auf Antidumpingzölle vorgenommen werden. Die Ergebnisse solcher Untersuchungen werden in OLAF-Berichten festgehalten, die immer wieder Anlass für Streitigkeiten liefern, gerade auch in Bezug auf ihre Aussagekraft.

Das Finanzgericht Hamburg hat sich nun in der oben genannten Entscheidung zum Beweiswert von OLAF-Berichten geäußert und folgende Leitsätze aufgestellt:

1. Untersuchungsberichte des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) und die darin festgehaltenen Ermittlungsergebnisse über externe Untersuchungen in einem Drittland wegen des Verdachts der Umgehung von Antidumpingzöllen stellen zulässige Beweismittel dar.

2. Die Ermittlungsergebnisse sind durch das Gericht hinsichtlich ihrer Aussagekraft für den Einzelfall zu prüfen und zu würdigen.

Zum Fall:

Im zu entscheidenden Fall ging es um Antidumpingzölle für Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl, die bereits seit einiger Zeit für derartige Waren von der Europäischen Kommission per Verordnung festgesetzt worden sind.

Die Klägerin meldete verzinkte Unterlegscheiben aus Stahl der Codenummer 7318 2200 39 0 beim Zollamt an. Die Waren sollten aus Thailand stammen. Das Zollkriminalamt stellte fest, dass seit der Einführung des Antidumpingzolls die Einfuhren von Verbindungselementen mit angemeldetem Ursprung in der VR China deutlich abgenommen und im Gegenzug die Einfuhren mit angemeldetem Ursprung u.a. aus Thailand zugenommen hätten. Vor diesem Hintergrund bat das Zollkriminalamt das Departement of Foreign Trade (DFT) des thailändischen Wirtschaftsministeriums u.a. im Rahmen zweier Dienstreisen um Unterstützung bei der Prüfung, ob die erlassene Antidumpingzollverordnung ggf. durch die Lieferung chinesischer Waren über Thailand umgangen worden sei. Im Vorfeld der Firmenbesuche teilte das DFT mit, dass es bei einer Prüfung der Exporte einer bestimmten Firma, keinerlei Dokumente in den Archiven habe finden können. Das DFT habe keine Ursprungszeugnisse ausgestellt und alle bei der Einfuhr in Deutschland vorgelegten Unterlagen seien als gefälscht anzusehen.

Nachfolgend ermittelte auch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF). Es reisten OLAF-Mitarbeiter nach Thailand und vermerken in ihrem Bericht, dass das thailändische Außenhandelsministerium im Mai 2013 eine Liste der Einfuhren sämtlicher Sendungen von Verbindungselementen, die aus verschiedenen Ländern (zu über 99 % aus China) nach Thailand eingeführt worden seien, übergeben worden sei. Parallel hierzu sei eine Liste der Ausfuhren sämtlicher aus Thailand in die EU ausgeführter Sendungen, die zumeist als angebliche Ursprungserzeugnisse aus China bzw. Thailand angemeldet worden seien, vorgelegt worden. Diese habe die identischen Detailinformationen enthalten. Der Vergleich der Einfuhrdaten mit den Ausfuhrdaten habe eine große Zahl von Übereinstimmungen zwischen den eingeführten und den ausgeführten Sendungen gezeigt. Beim Abgleich weiterer Informationen bestätigte sich, dass sämtliche Verbindungselemente, die ein Unternehmen über ein Lagerhaus eines anderen Unternehmens ein- und wieder ausgeführt habe, Ursprungserzeugnisse aus China gewesen seien. Die Waren seien aus China ein- und in die EU ausgeführt worden. Im Lagerhaus seien sie nicht be- oder verarbeitet worden. Die zuständigen Vertreter der Lagerhäuser hätten dies bestätigt.

Der Beklagte erhob daher Einfuhrabgaben unter Bezugnahme auf Art. 220 ZK nach und bezog sich auf die OLAF-Ermittlungen.

Die Klägerin legte erfolglos Einspruch gegen den Nacherhebungsbescheid ein und erhob nachfolgend Klage gegen den Bescheid. Sie trug in dem Verfahren im Kern vor, dass es an einem eindeutigen Nachweis eines Ursprungs für die Waren in der VR China mangele. Untersuchungen und Missionen von OLAF hätten keine bindende Wirkung auf deutsche Gerichte. Die Behauptung des Beklagten, das vorgelegte Ursprungszeugnis sei gefälscht, wurde bestritten. Eine glaubhafte und konkrete Erklärung der zuständigen thailändischen Behörde, dass konkret dieses Ursprungszeugnis falsch sei, liege nicht vor. Es sei außerdem zweifelhaft, ob Staatsbeamte in Thailand beim Auftreten von EU-Behörden vor Ort nur wahre Aussagen treffen würden. Der EuGH habe auch in seinem Urteil vom 8. März 2022 (C-213/19) ausgeführt, dass die Ermittlungen und Berichte des OLAF nicht für die EU-Mitgliedstaaten verbindlich seien.

Das Finanzgericht Hamburg hat die Klage abgewiesen und die Rechtmäßigkeit des Nacherhebungsbescheides über Antidumpingzoll bestätigt.

Das Gericht war davon überzeugt, dass es sich bei den streitgegenständlichen Unterlegscheiben um chinesische Ursprungsware handelte. Der beweisbelastete Beklagte habe den Nachweis des Ursprungs der eingeführten Ware in der VR China geführt. Die Überzeugungsbildung des Gerichts beruhte auf den vom Zollkriminalamt und OLAF gewonnenen Erkenntnissen, insbesondere auf dem Inhalt der Berichte. Diese Berichte stellen aus Sicht des Finanzgerichts verwertbare Beweismittel dar.

An der Richtigkeit und Belastbarkeit der von den thailändischen Behörden zur Verfügung gestellten Datensätze hatte das Gericht keine Zweifel. Auch die vom Lagerhausunternehmen zur Verfügung gestellten Daten untermauerten die Auffassung des Finanzgerichts. Die Daten von OLAF standen den überprüften miteinander verglichenen Informationen hinsichtlich ihrer Stimmigkeit und Detailliertheit in nichts nach. Das Finanzgericht war daher vom Ursprung China der Waren überzeugt.

Die in den vorliegenden Berichten festgehaltenen Ermittlungsergebnisse des OLAF, wie die von ausländischen Behörden oder Unternehmen übermittelten Daten und die Vermerke über Zeugenaussagen im Rahmen der OLAF-Missionen, stellen zulässige Beweismittel dar, die das Gericht vorliegend auch würdigte.

OLAF-Berichte sind unter denselben Bedingungen wie die Verwaltungsberichte der Kontrolleure der nationalen Verwaltungen zulässige Beweismittel in den Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren des Mitgliedstaats, in dem sich ihre Verwendung als erforderlich erweist. Sie werden nach denselben Maßstäben beurteilt wie die Verwaltungsberichte der Kontrolleure der nationalen Verwaltungen und haben dieselbe Beweiskraft. An diese gesetzliche Wertung anknüpfend entspricht es der ständigen Rechtsprechung des EuGH, in OLAF-Berichten zulässige Beweismittel zu sehen. Allerdings sei es Aufgabe des nationalen Gerichts zu prüfen, ob ein OLAF-Bericht für den konkreten Streitfall aussagekräftig sei oder gegebenenfalls nur eine allgemeine Beschreibung der fraglichen Situation enthalte (EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, C-407/16, Rn. 56 f.).

Im zu entscheidenden Fall sah das Finanzgericht die OLAF-Berichte hinsichtlich des streitgegenständlichen Einfuhrvorgangs und des Warenursprungs als konkret aussagekräftig an. Es bestanden keine Zweifel an den Daten und dem Zustandekommen dieser in dem OLAF-Bericht. Anhaltspunkte, dass die in der Verordnung (EU) Nr. 883/2013 gemäß Art. 9 geltenden Verfahrensgarantien insbesondere bei Zeugenvernehmungen durch OLAF bei der externen Untersuchung in Thailand nicht eingehalten worden sein könnten, lagen nicht vor. Konkrete Rügen trug die Klägerin nicht vor, sondern stellte die Ermittlungsergebnisse von OLAF aufgrund der von ihren dargelegten Verhältnisse in Thailand allgemein in Frage.

Das Gericht wies die Klage daher ab.

Quelle: Urteil des FG Hamburg vom 03.08.2022 - 4 K 85/16

Anmerkung

Die Entscheidung betrifft eine in der Praxis nicht selten anzutreffende Sachverhaltskonstellation, nämlich die nachträgliche Prüfung von Einfuhren durch OLAF.

Häufig sind die Einführer selbst von den Ergebnissen des OLAF überrascht, denn die Prüfung von Gegebenheiten vor Ort dürfte nur bei wenigen Einführern selbst vor Ort geschehen sein. Wenn daher Waren, die bekannterweise aus einem Land stammen, für dessen Ursprung der Waren Antidumpingzölle erhoben werden, „plötzlich“ auch aus einem anderen Land kommen können, ist Vorsicht geboten. Wenn im Nachhinein festgestellt wird, dass Waren nur umgepackt werden und daher eine Umgehung von Antidumpingzöllen das primäre Ziel gewesen sein könnte, besteht die Gefahr, neben einer Belastung von zusätzlichen Abgaben, auch (unverschuldet) mit einem Strafverfahren belastet zu werden.

Was an dieser Entscheidung aber auch wieder einmal deutlich wird ist, dass das Hauptzollamt für eine Abgabenerhebung den Ursprung der Waren nachweisen muss. Wenn dieser Nachweis nicht gelingt und ein Gericht vom Ursprung einer Ware nicht überzeugt ist, kann ein entsprechender Einfuhrabgabenbescheid auch keinen Bestand haben. Dass OLAF-Berichte dazu auch herangezogen werden können, ist nicht neu. Eine Verteidigung muss in diesem Fall in Form einer dezidierten Auseinandersetzung mit dem Bericht erfolgen. Die üblichen in solchen Fällen aufgeworfenen pauschalen Bedenken / Behauptungen helfen naturgemäß nicht weiter, wie auch die Entscheidung zeigt.