03.02.2022 08:00 Alter: 2 yrs
Kategorie: Zoll
Von: Rechtsanwältin Almuth Barkam

Lieferantenerklärungen - aktuelle Fallstricke

Der Jahresanfang ist immer auch die Zeit, in der die zuständigen Abteilungen des Unternehmens Langzeit-Lieferantenerklärungen bei den Zulieferern anfordern bzw. diese selbst für ihre Kunden ausstellen. Abgesehen davon, dass in beiden Fällen immer darauf zu achten ist, dass die Formvorgaben des Art. 62 UZK-DVO eingehalten werden, haben sich in jüngster Zeit ein paar "Fallstricke" im Zusammenhang mit dem Ausstellen und der Verwendung von Lieferantenerklärungen ergeben, die wir im Folgenden betrachten möchten:

1.    DVO (EU) 2020/2254

Ende 2020, kurz vor Ablauf der Übergangsfrist, wurde das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich Großbritannien (TCA) verabschiedet und am 31.12.2020 im EU-Amtsblatt veröffentlicht (EU-Abl. L 444/14). Als Ergänzung zum TCA wurde eine Verordnung erlassen, die ebenfalls am letzten Tag des Jahres veröffentlicht wurde (EU-Abl. L 446/1) und am Folgetag in Kraft trat: Die "DVO (EU) 2020/2254 über die Ausfertigung von Erklärungen zum Ursprung auf der Grundlage von Lieferantenerklärungen für präferenzbegünstigte Ausfuhren in das Vereinigte Königreich während eines Übergangszeitraums" sollte das Problem lösen, dass europäische Ausführer aufgrund des sehr kurzfristigen Abschlusses des Handelsabkommens nicht im Besitz von Lieferantenerklärungen waren, die den europäischen Ursprung im Präferenzverkehr mit dem Vereinigten Königreich (VK) bestätigten. Das war naturgemäß nicht möglich angesichts der fort- und bis zum Ende des Übergangszeitraums andauernden Ungewissheit, ob es überhaupt zum Abschluss eines Handelsabkommens zwischen der EU und dem VK kommen und welchen Inhalt es haben würde. Dennoch sollte der Handel mit dem VK unter Inanspruchnahme von Zollfreiheiten bei der Einfuhr im VK ab dem 01.01.2021 beginnen. Was also tun?

Die Europäische Kommission schuf die DVO (EU) 2020/2254, nach deren Art. 1 es Ausführern für die Zwecke der Anwendung des TCA erlaubt war, "bis zum 31.12.2021 Erklärungen zum Ursprung für Ausfuhren in das VK auf der Grundlage von Lieferantenerklärungen, die der Lieferant nachträglich vorlegen muss, unter der Bedingung aus(zu)fertigen, dass sich die Lieferantenerklärungen bis zum 1. Januar 2022 im Besitz des Ausführers befinden."

Die dahinterstehende Idee der EU-Kommission war gut: Man wollte es Ausführern für eine Übergangszeit ermöglichen, Ursprungserklärungen auszustellen, auch wenn es den Ausführern zum Zeitpunkt der Ausfertigung der Erklärung nicht möglich ist, den Ursprung der eingesetzten Vormaterialien oder Handelswaren anhand von Lieferantenerklärungen nachzuweisen. Aber wie soll der Ausführer beim Ausstellen der Erklärung zum Ursprung wissen, dass er diese Lieferantenerklärungen von seinem Lieferanten später erhält? Die deutsche Zollverwaltung vergaß nicht, im TCA-Merkblatt darauf zu verweisen, dass Ausführer trotz dieser Vereinfachung für die Richtigkeit der Erklärung zum Ursprung und der darin gemachten Angaben "verantwortlich" seien (S. 16). Dem Ausführer müssten "belastbare Informationen" zur Ursprungseigenschaft einer Ware vorliegen. Das zurückliegende Jahr hat gezeigt, dass es insbesondere für Ausführer mit komplexen Zulieferstrukturen äußerst schwierig war, Lieferantenerklärungen einzuholen, insbesondere nachträglich ausgestellte Lieferantenerklärungen für Waren, die bereits vor dem 01.01.2021 geliefert wurden.  

Für den Fall, dass es dem Ausführer nicht gelingen sollte, die Lieferantenerklärungen bis Ende 2021 zu beschaffen, regelt die Kommission in Unterabsatz 2:

"Hat der Ausführer diese Lieferantenerkläungen bis zu diesem Zeitpunkt nicht in seinem Besitz, so teilt er dem Einführer dies spätestens am 31. Januar 2022 mit."

Was soll uns diese Regelung sagen? Dem Ausführer wird per Verordnung eine Informationspflicht auferlegt. Offen bleibt, was folgt, wenn der Ausführer seiner "Mitteilungspflicht" nachgekommen ist. Die Ware, für die eine Erklärung zum Ursprung ausgestellt wurde, kann Ursprungsware sein, auch wenn der Nachweis durch Lieferantenerklärung nicht vorliegt. Die Lieferantenerklärung dient allein dem Nachweis des Ursprungs. Ob der Einführer im VK seine Einfuhranmeldung bzgl. der Inanspruchnahme von Präferenzen korrigieren muss, beurteilt sich nach britischem Recht. Inwiefern die europäischen Ausführer in Fällen dieser Art mit Schadensersatzforderungen ihrer Kunden konfrontiert werden, wird sich zeigen. Was für ein Dilemma!

Die Kommission weist in den Gründen der Verordnung darauf hin, dass es "angesichts des kurzen Zeitraums zwischen dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Abkommens und dem Zeitpunkt, zu dem es anwendbar wird, für manche Lieferanten schwierig sein könnte, den Ausführern rechtzeitig alle einschlägigen Erklärungen vorzulegen." Mit "schwierig" wird die Situation sehr schmeichelhaft beschrieben: Zwischen Veröffentlichung und vorläufigem Inkrafttreten des Abkommens lag 1 Tag! Angesichts dieser besonderen Situation wäre eine kulantere Regelung für die Wirtschaft wünschenswert gewesen. Die Anerkennung von Lieferantenerklärungen, die den Präferenzverkehr mit mindestens zwei Partnerländern bestätigen, deren Präferenzabkommen mit der EU gleiche oder anspruchsvollere Ursprungsregeln enthalten als die im TCA vereinbarten, wäre möglicherweise ein kulanterer Weg gewesen.    

2.    Lieferantenerklärungen und die alternativen Ursprungsregeln


Ebenso schwer wird es Ausführern gemacht, die die alternativen Ursprungsregeln im Pan-Euro-Med (PEM)-Raum nutzen möchten: Die Europäische Union hat mit einzelnen Abkommenspartnern des Regionalen Übereinkommens im Pan-Euro-Med-Raum neue, modernere Ursprungsregeln (sog. Übergangsregeln) vereinbart. Die Abkommen treten sukkzessive in Kraft. Auf der Seite https://ec.europa.eu/taxation_customs/customs-4/international-affairs/pan-euro-mediterranean-cumulation-and-pem-convention_en  informiert die EU-Kommission über den jeweils aktuellen Stand der in Kraft getretenen Abkommen. Die jüngst veröffentlichte Matrix, anhand derer man prüfen kann, welche Länder die neuen Ursprungsregeln anwenden und eine diagonale Kumulierung ermöglichen, wurde zuletzt im EU-Amtsblatt C 492/1 vom 08.12.2021 veröffentlicht. Über die neuen, alternativ anwendbaren Ursprungsregeln haben wir im Infoletter September 2021 berichtet. Die Übergangsregeln haben den Vorteil, dass die Ursprungsregeln in vielen Bereichen großzügiger sind, u.a. durch höhere Wertgrenzen für Nicht-Ursprungswaren, Ursprung nach diesen Regeln also leichter zu erreichen ist. Neues und altes System laufen parallel und sind strikt zu trennen, d.h., Ausführer, die Ursprungserklärungen für Lieferungen in Länder des Pan-Euro-Med-Raums ausstellen, müssen sich entscheiden, welches System sie anwenden. Wenden Sie die alternativen Ursprungsregeln an, müssen Warenverkehrsbescheinigung und Ursprungserklärung den Hinweis auf die Übergangsregeln („TRANSITIONAL RULES“) in der Bescheinigung bzw. der Erklärung gemäß den Vorgaben des Abkommens enthalten.      

Diese Parallelität führt zu folgendem Problem bei den Lieferantenerklärungen: Möchte ein Ausführer eine EUR.1 oder Ursprungserklärung auf Grundlage der alternativen Übergangsregeln ausfertigen, müssen die Lieferantenerklärungen für die in eingesetzten Vormaterialien ebenfalls den Hinweis auf die Übergangsregeln enthalten. Die deutsche Zollverwaltung weist auf ihrer Internetseite darauf hin, dass für Waren, deren Ursprung durch Anwendung der Übergangsregeln erworben wurde, in den Lieferantenerklärungen für die zugelieferten Waren bei der Angabe der anwendbaren Präferenzverkehre zusätzlich zum jeweiligen Land "TRANSITIONAL RULES" anzugeben sei. Die Europäische Kommission empfiehlt zudem, bei der Ausfertigung von Lieferantenerklärungen ab dem 1. September 2021 anzugeben, ob ein Erzeugnis die Ursprungsregeln des Regionalen Übereinkommens oder der Übergangsregeln oder beider Systeme erfüllt. Fehlt diese Angabe, so gilt die Lieferantenerklärung nur als Nachweisunterlage im Rahmen des Regionalen Übereinkommens (s. Guidance on transitional PEM rules (englisch) der EU-Kommission, S. 7). Laut Guidance war aus der Wirtschaft kritisch darauf hingewiesen worden, dass es insbesondere für Unternehmen mit komplexen Lieferketten nicht praktikabel ist, Ursprungsnachweise (Warenverkehrsbescheinigungen, Ursprungserklärungen und Lieferantenerklärungen) vorzuhalten, die nach beiden Regelwerken ausgestellt wurden. Dennoch konnte man sich auf EU-Ebene nicht dazu durchringen, die nach den "alten" PEM-Regeln erstellten Lieferantenerklärungen auch für den Präferenzverkehr nach den Übergangsregeln anzuerkennen, da es einige – wenige – Fälle gibt, in denen die Übergangsregeln strenger sind als die Regeln des Regionalen Übereinkommens. Für die Wirtschaft stellt auch dies ein kleines Dilemma dar, da der Aufwand, hier ggf. zwei parallele Nachweissysteme zu verwalten und die IT-Systeme entsprechend anzupassen, für viele Unternehmen zu groß ist. Schade eigentlich, wollte man den Unternehmen mit den moderneren Ursprungsregeln doch eigentlich entgegenkommen.