08.04.2019 09:20 Alter: 5 yrs
Kategorie: Zoll
Von: Rechtsanwältin Almuth Barkam

Zollschuldner bei Entziehung von Waren aus der zollamtlichen Überwachung

In einem nicht amtlich veröffentlichten, aber dennoch sehr interessanten Urteil hat der BFH über die Frage entschieden, wer Zollschuldner wird, wenn vorübergehend verwahrte Waren auf dem Weg zum Zollamt der zollamtlichen Überwachung entzogen werden (BFH, 12.06.2018 – VII R 4/17).

In dem zugrundeliegenden Fall verschiffte die Klägerin und Revisionsbeklagte drei Kfz aus den USA in die Bundesrepublik Deutschland, meldete diese an und verbrachte sie in ihr Verwahrungslager. Die Empfängerin der Kfz in der Schweiz beauftragte die Firma S mit der zolltechnischen Abwicklung und dem Transport der Kfz in die Schweiz. Diese wiederum beauftragte zwei weitere Firmen mit der Erstellung von NCTS-Versandanmeldungen (Firma 1) sowie mit dem eigentlichen Transport der Kfz vom Verwahrungslager in die Schweiz (Firma 2). Der Fahrer der zweiten Firma holte die Kfz bei der Klägerin ab, was das zuständige Zollamt zuvor telefonisch gestattet hatte, gestellte sie aber nicht erneut bei der Zollstelle, sondern transportierte sie direkt zu Schweizer Grenze. Das zuständige Hauptzollamt setzte gegen die Klägerin Zoll und Einfuhrumsatzsteuer fest. Im finanzgerichtlichen Verfahren hob das Gericht den gegen die Klägerin erlassenen Einfuhrabgabenbescheid auf (FG Bremen – 08.12.2016 – 4 K 31/14). Der BFH bestätigte im Revisionsverfahren die Entscheidung des Finanzgerichts Bremen, weil er die Klägerin nicht als Schuldnerin der Einfuhrabgaben ansah, die infolge des Entziehens der Kfz aus der zollamtlichen Überwachung entstandenen waren.

Eine Zollschuldnerschaft war nach Auffassung des BFH weder nach Art. 203 Abs. 3 Anstrich 1 ZK gegeben, weil die Klägerin nicht die Person war, die die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen hat noch nach Abs. 3 Anstrich 4 ZK, weil sie nicht gegen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der vorübergehenden Verwahrung verstoßen habe. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH verwies der BFH darauf, dass Art. 203 Abs. 3 Anstrich 4 ZK nur die Verpflichtungen betrifft, die mit dem Verbleib der Waren in vorübergehender Verwahrung zusammenhängen. Solange die Waren noch nicht vom Beförderungsmittel abgeladen wurden, treffe die Pflicht, die Ware auf Verlangen den Zollbehörden jederzeit vorzuführen, die Person, die die summarische Anmeldung abgegeben hat (Art. 184 Abs. 1 ZK-DVO). Aus Art. 184 Abs. 2 ZK-DVO ergebe sich, dass diese Verpflichtung nach dem Abladen der Waren auf jede Person übergehe, die diese zwecks Beförderung oder Lagerung im Besitz habe.

Der BFH macht deutlich, dass es maßgeblich auf den Besitz der Waren ankomme. Entscheidend sei, wer die Möglichkeit habe, tatsächlich auf die Ware einzuwirken und den Zollbehörden Zugang zu der vorübergehend verwahrten Ware zu verschaffen. Aus Sicht des Gerichts sei dies der Fahrer, gegebenenfalls dessen Arbeitgeber gewesen, mangels unmittelbaren Zugriffs auf die Kfz aber nicht die Klägerin.

Anmerkung

Dieser zunächst sehr klar wirkende Fall wirft bei näherer Betrachtung einzelne Fragen auf: Das Finanzgericht Bremen hat dargelegt, dass der Klägerin nach der Herausgabe der Fahrzeuge zwar weiterhin Pflichten aus der vorübergehenden Verwahrung oblagen, jedoch nicht mehr die Verpflichtung zur Vorführung der Ware auf Verlangen der Zollbehörden. Diese Verpflichtung sei durch den Besitzwechsel auf die Firma übergegangen, die die Waren bei ihr abgeholt hat. Wenn die Klägerin mit der Übergabe der Ware an den neuen „Besitzer“ die tatsächliche Sachherrschaft über die Waren verloren hat, stellt sich die Frage welche Pflichten der Klägerin dann noch im Rahmen der vorübergehenden Verwahrung obliegen könnten. Fraglich ist auch, ob sich die Auffassung der Gerichte auf Fallkonstellationen nach neuer Rechtslage übertragen lässt.

Finanzgericht und BFH haben in ihrer rechtlichen Begründung auf die Regelung des Art. 184 Abs. 2 ZK-DVO abgestellt, die es im neuen Zollrecht so nicht mehr gibt. Mit Art. 118 UZK-DelVO gibt es eine Regelung für Beförderungen von in vorübergehender Verwahrung befindlichen Waren von einem Verwahrungslager in ein anderes Verwahrungslager, für die Verbringung der Waren vom Verwahrungslager zur Zollstelle gibt es keine Regelung. Wenn – wie von den Gerichten dargelegt – die tatsächliche Sachherrschaft entscheidend ist, dann besteht für die Personen, die Waren aus der vorübergehenden Verwahrung in Besitz nehmen (Lagerhalter, Frachtführer etc.) möglicherweise ein erhöhtes Risiko, im Fall von Verfehlungen für Zollschulden in Anspruch genommen zu werden. Es bleibt spannend, ob diese Rechtsprechung in künftigen Fällen dieser durchaus klassischen Konstellation von Beteiligten entsprechende Anwendung finden wird.